Fußball-WM Dämpfer im Wüstenzelt: Katar verliert WM-Eröffnungsspiel
Al-Chaur · Mit einer großen Show eröffnet Katar die umstrittene Fußball-WM. Auf dem Rasen hat der Gastgeber Nachholbedarf. Die ersten drei WM-Punkte gehen an Ecuador.
Enttäuscht verschwanden die geschlagenen Katarer schnell Richtung Kabine - zum Trost spenden war auf den Rängen ja fast keiner mehr da. Nach einer glitzernden Lichtshow zur Eröffnungsfeier setzte es für den höchst umstrittenen Gastgeber gleich zu Beginn der Fußball-WM 2022 eine ernüchternde Niederlage. Ein Großteil der Zuschauer im Al-Bait Stadion nördlich von Doha hatte am Sonntag beim 0:2 (0:2) gegen Ecuador nicht einmal den Schlusspfiff abgewartet und war vorzeitig gegangen.
Vor den Augen von Katars Staatsoberhaupt Tamim bin Hamad Al Thani sorgte Ecuadors WM-Rekordtorschütze Enner Valencia (16./Foulelfmeter und 31. Minute) für den hochverdienten Sieg der Südamerikaner in der Gruppe A. Katar ist der erste Gastgeber der WM-Geschichte, der ein Eröffnungsspiel verlor. „Wir haben gehofft, dass wir uns besser präsentieren können. Aber das Level war zu hoch“, sagte Katars Abwehrspieler Homam Ahmed.
In der wie ein Wüstenzelt geformten Arena nördlich von Doha kam bei den offiziellen Angaben zufolge 67 372 Zuschauern nur zu Beginn spürbar WM-Stimmung auf. Eine Gruppe Fans in auffälligen roten „Qatar“-Shirts ließ sich auch von den Gegentoren nicht von ihren orchestrierten Gesängen abhalten. Ab der zweiten Halbzeit wurden die Lücken auf den Rängen immer größer. Applaudiert wurde nach dem Spielende nur von den Fans aus Ecuador.
In der Hauptstadt verfolgten Tausende Menschen das erste WM-Spiel des Emirats. Ein Fanfest, einer der wenigen Orte, an dem Alkohol verkauft werden durfte, musste zeitweise wegen Überfüllung geschlossen werden.
Die mehrteilige, halbstündige Eröffnungsfeier vor dem Anpfiff sollte Tradition und Moderne in Katar zusammenbringen. Der unter anderem wegen der Menschenrechtslage viel kritisierte Gastgeber wollte auch das Thema Inklusion in den Vordergrund rücken. Auch Hollywood-Star Morgan Freeman bekam einen großen Auftritt. „Endlich ist der Tag da, auf den wir so lange gewartet haben“, sagte Staatsoberhaupt Al Thani. FIFA-Präsident Gianni Infantino schien bei seinem verbalen Startschuss froh zu sein, dass der Ball endlich rollt: „Lassen wir die Show beginnen!“
Der Jubel über den Start war aber kaum verhallt, da kassierte der Außenseiter in der 3. Minute schon das erste Gegentor. Allerdings rettete der Videoschiedsrichter Katar vor dem Blitz-Rückstand, weil vor Valencias Kopfballtreffer der Ecuadorianer Michael Estrada hauchdünn mit dem rechten Fuß im Abseits gestanden hatte.
Das vom italienischen Schiedsrichter Daniele Orsato zurückgenommene Tor zeigte dennoch Wirkung bei den international unerfahrenen Katarern - allen voran bei Saad Al-Sheeb. Der Torwart war ein ständiger Unsicherheitsfaktor in der ohnehin nicht gerade stabilen Abwehr des Asienmeisters von 2019 und verschuldete mit einem Foul an Torschütze Valencia auch den Elfmeter vor dem 0:1.
Die FIFA und Katar hatten die Partie extra um einen Tag vorverlegt, damit der Gastgeber sich in einem klassischen Eröffnungsspiel der Weltöffentlichkeit präsentieren konnte. Der WM-Debütant blieb aber über weite Strecken den Nachweis schuldig, auf der Weltbühne des Fußballs mithalten zu können. Das vom spanischen Trainer Felix Sanchez seit vielen Jahren nur auf dieses Turnier vorbereitete Team, das ausschließlich aus Profis der heimischen Liga besteht, agierte phasenweise gar hilflos. Auch vom vermeintlichen Star der Mannschaft, dem früheren Spanien-Legionär Akram Afif, war nur wenig zu sehen. Sanchez verfolgte den lange Zeit schwachen Auftritt meist konsterniert mit verschränkten Armen an der Seitenlinie.
Die Ecuadorianer waren nicht nur am Boden spielfreudiger und zweikampfstärker, sie gingen auch aus den Luftduellen meist als Sieger hervor - so wie beim zweiten Treffer des auffälligen Valencia. Der Profi von Fenerbahce Istanbul stieg mit nun fünf Toren zum alleinigen WM-Rekordtorschützen seines Landes auf. In der Innenverteidigung hatte Piero Hincapie von Bundesligist Bayer Leverkusen so gut wie keine Probleme, die durchschaubaren Angriffe der Hausherren abzuwehren. In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit war die Hintermannschaft der Südamerikaner aber einmal unsortiert, als der völlig freistehende Almoez Ali per Kopf die erste Chance für Katar vergab.
Auch nach dem Seitenwechsel fiel den Katarern bis auf den Kunstschuss des eingewechselten Mohammed Muntari (86.) im Spiel nach vorne wenig ein, obwohl sie nun vermehrt in Ballbesitz waren. Ecuador zog sich weiter zurück und beschränkte sich weitestgehend auf Konter. In der 76. Minute musste der angeschlagene Doppeltorschütze Valencia humpelnd ausgewechselt werden. Auf der Bank sitzend kühlte er sich hinterher das rechte Knie.