Grundverschieden und doch gleich: Löw und Deschamps
Rio de Janeiro (dpa) - Wenige Wochen vor Didier Deschamps größtem Triumph als Spieler hatte Joachim Löw seine erste bittere Lektion als Trainer gerade gelernt.
Nach der unglücklichen 0:1-Niederlage im Endspiel des Europacups gegen den FC Chelsea musste Löw beim VfB Stuttgart 1998 gehen. Deschamps wurde im gleichen Sommer Weltmeister. Am Freitag kommt es im WM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Frankreich im legendären Maracanã von Rio de Janeiro nun zu einem Duell zweier Trainer, deren Fußball-Lebenswege grundlegend unterschiedlich sind, deren Philosophie sich aber nicht gänzlich unterscheidet. Sie prägen beide den Fußball-Stil ihrer Länder.
„Ich habe es immer gehasst, zu verlieren. Selbst wenn ich Karten spiele, will ich immer gewinnen“, erzählte Deschamps vor dem bislang einzigen Aufeinandertreffen der beiden Nationalcoaches im Februar 2013. Löw gewann das für ihn emotional wichtige Test-Duell mit der DFB-Auswahl in Paris mit 2:1. Doch Deschamps ist bei aller Besessenheit kein Mann, der die Relation verliert. Als heimische Medien die Partie in Rio zur Rache für das WM-Aus 1982 stilisieren wollte, schritt Deschamps ein. Dieser Historien-Bezug passt nicht zu seinem Stil.
An der Seitenlinie ist Deschamps sogar noch ruhiger als Löw. Er gehört nicht zur Kategorie der extrovertierten Trainer, wie etwa der mexikanische Coach Miguel Herrera. Doch kommt man ihm inhaltlich in die Quere. kann der 45-Jährige wie Löw energisch werden. Deschamps ist Disziplinfanatiker und ein Cheftyp.
Als im WM-Quartier in Ribeirao Preto wiedermal eine Frage zum verletzt fehlenden Bayern-Profi Franck Ribéry gestellt wurde, warnte der Coach grinsend, halb im Spaß, halb im Ernst: „Pass auf, ich war als Spieler ein Tackler, und ich kann das heute immer noch.“
Deschamps ist ein Siegertyp. Das war er schon als Spieler bei Olympique Marseille, Juventus Turin und mit der Équipe Tricolore. Als Trainer will er es nicht anders haben. Der Mittelfeldkämpfer aus dem Baskenort Bayonne braucht den Erfolg.
Löws Fußball-Vita war bescheidener. Mit seinem Namen wird Zweitliga-Fußball beim SC Freiburg verbunden. Auch als Trainer kämpfte er sich nach der Stuttgart-Zeit durchs Mittelmaß in Österreich und der Türkei - bis ihn das Glück ereilte von Jürgen Klinsmann als Assistent ausgesucht zu werden.
Gegenüber Deschamps hat Löw etwas voraus. Zwar nicht den so ersehnten Titel, aber den erfolgreichen Aufbau eines eigenen Stils. Der Franzose musste erstmal andere Arbeit leisten - auf die er sich nach Aussage seines Mentors Jean-Claude Suaudeau versteht. Er kann sehr gut Mannschaften von „Parasiten“ befreien.
In seiner Trainerkarriere wagte Deschamps Kräftemessen mit Clubstars wie den Italienern Marco Simone und Christian Pannucci und dem Franzosen Hatem Ben Arfa - und gewann stets. In Frankreich lieben sie ihn - zumindest zur Zeit, weil die lange skandalumwitterte Équipe Tricolore in Brasilien wieder als Einheit auftritt.