Klinsmann trotz WM-Aus stolz - USA feiert Fußballhelden
Salvador (dpa) - Nur wenige Minuten nach dem dramatischen WM-Abschied schlüpfte Jürgen Klinsmann schon wieder in die Rolle des Motivators: „Ich bin stolz auf meine Spieler. Sie haben bis zur letzten Minute alles gegeben und ihr Land stolz gemacht.“
„Wir werden unseren Weg weitergehen und zurückkommen“, versprach der deutsche Coach der US-Boys nach dem Aus im WM-Achtelfinale gegen Belgien. Klinsmann ist sich sicher: „Nach dieser WM haben viele Teams in Südamerika und Europa einen anderen Blick auf uns. Niemand unterschätzt uns mehr. Wir haben uns Respekt erarbeitet.“
Die nächste Mission des früheren Bundestrainers ist, die riesige WM-Euphorie zu nutzen und dem Fußball in den USA endgültig zum Durchbruch zu verhelfen. Präsident Barack Obama glaubt jedenfalls an eine große Zukunft der Weltmacht USA auf dem Fußballfeld. „Sehr stolz auf @USSoccer. Wir werden das alles schneller gewinnen als die Welt denkt“, hieß es in einem Tweet des Weißen Hauses, der mit Obamas persönlichem Kürzel „bo“ und dem Hashtag #BelieveIt (Glaub es) gekennzeichnet war. Obama hatte die Partie im Weißen Haus gemeinsam mit rund 200 Mitarbeitern im Fernsehen verfolgt und dafür sogar eine Sitzung mit seinen Ministern vorverlegt.
Klinsmann träumte lange von der Sensation. Nach den spektakulären 120 Minuten in Salvador tröstete der Schwaben jeden Spieler einzeln und gratulierte seinem belgischen Trainer-Freund Marc Wilmots mit einer innigen Umarmung. Der US-Coach war nach dem 1:2 gegen Belgien nach Verlängerung fast genauso erschöpft wie die Profis, die mit dem Schlusspfiff enttäuscht und ausgepumpt zu Boden sanken. „Es war ein Krimi, ein Drama, ein Thriller“, analysierte Klinsmann. „Wir haben uns wieder super verkauft und können erhobenen Hauptes nach Hause fahren“, meinte der Ex-Schalker Jermaine Jones völlig verausgabt.
Dass die bessere, reifere und erfahrenere Mannschaft ins WM-Viertelfinale gegen Argentinien am Samstag in Brasilia einzog, war auch für Klinsmann „verdient“ und irgendwie logisch. „Auf diesem Level entscheiden Kleinigkeiten. Wir haben in den letzten Jahren viel investiert und hart gearbeitet. Aber du triffst dann halt irgendwann auf Mannschaften wie Deutschland oder Belgien, die einfach noch ein bisschen mehr Qualität haben.“
Dank einer Weltklasseleistung des überragenden Torhüters Tim Howard hielt das verzweifelt kämpfende US-Team dem Daueransturm der Belgier sehr lange stand. Das 0:0 nach 90 Minuten glich einem Wunder angesichts der Vielzahl von belgischen Großchancen, aber Teufelskerl Howard entnervte die „Roten Teufel“ mit Glanzparaden im Sekundentakt. „Großer Dank an Tim! Das war eine unglaubliche Vorstellung“, schwärmte Klinsmann. Die US-Medien feierten ihren Keeper für 16 gehaltene Torschüsse - WM-Rekord.
Gegen die Treffer des Wolfsburgers Kevin de Bruyne (93.) und des zu Beginn der Verlängerung eingewechselten Romelu Lukaku (105.) war aber auch Howard machtlos. Der Anschlusstreffer des 19-jährigen WM-Debütanten Julian Green (107.) von Bayern München half nicht mehr. „Wir haben uns heute unsere Herzen aus dem Leib gespielt“, sagte der bärtige Keeper vom FC Everton. „Es schmerzt, wenn du verlierst und ausscheidest. Da ist es auch egal, ob ich keinen oder 20 Bälle gehalten habe. Das macht für mich keinen Unterschied.“
Zahlreiche US-Promis fühlten mit dem „Klinsi“-Team: „Großartiger Job, ich bin stolz auf euch Jungs! Ihr habt alles gegeben!!!“, schrieb Sängerin Rihanna auf Twitter. Ihr Kollege Justin Timberlake war ebenfalls entflammt: „HERZZERREISSEND. Bin stolz, wie unsere Kerle am Ende gekämpft haben. Tim Howard... WOW.“ Zehntausende Fans in den USA hatten den Thriller beim Public Viewing oder in Kneipen verfolgt.
„Tapferkeit statt Sieg“, titelte die „New York Times“. Die „Washington Post“ kommentierte: „Die WM-Hoffnungen sind geplatzt, aber Stolz und Optimismus bleiben.“ Der „Miami Herald“ erwartet noch weit bessere Soccer-Zeiten: „Rosige Zukunft trotz Niederlage. Der US-Fußball ist der große Sieger“, schrieb das Blatt.
Auch für Klinsmann ist seine Mission als US-Coach noch lange nicht beendet. Seinen Vertrag bis 2018 will er auf jeden Fall erfüllen. Die WM in vier Jahren in Russland hat er schon ins Visier genommen. „Wir haben eine junge Mannschaft, die sich hier phänomenal präsentiert hat“, sagte der 49-Jährige. Einen Tag nach dem Ausscheiden erstellte er sogar schon eine Art Fahrplan nach Russland. „Unsere nächsten Ziele sind der Gold Cup im nächsten Jahr, bei dem wir uns für den Confed Cup qualifizieren wollen. Und auch die Olympischen Spiele 2016 sind für uns sehr wichtig. Wir wollen jedes Jahr neue Benchmarks, wir brauchen jedes Jahr eine Plattform, auf der die Spieler und das gesamte Team wachsen können“, meinte der frühere Bundestrainer.