Trainer-Nobody Kroatiens Coach Dalic: Goldpokal ohne Silbertablett?
Moskau (dpa) - Der Mann mit dem schwarzen gescheitelten Haar war im vergangenen Jahr ein Nobody der internationalen Trainerszene. Bei Al Ain Club in den Vereinigten Arabischen Emiraten arbeitete Zlatko Dalic ganz weit weg von der großen Fußball-Welt.
Nun hat er Kroatien gegen viele Widrigkeiten ins Finale der Weltmeisterschaft gegen Frankreich geführt. „Mir ist nie etwas auf dem silbernen Tablett serviert worden“, sagt der 51-Jährige nach dem „Wunder“ der kleinen kroatischen Fußball-Nation vor dem größten Spiel seiner Karriere am Sonntag (17.00 MESZ) in Moskau.
Dalic ist der glatte Gegenentwurf zu Didier Deschamps, dem Weltmann des Profigeschäfts. Frankreichs Chefcoach war schon als Spieler Weltmeister und kann nun mit Franz Beckenbauer und dem Brasilianer Mario Zagallo gleichziehen, die jeweils auch als Spieler und Coach den WM-Pokal gewannen. Dalic spielte die längste Zeit seiner Karriere für Hajduk Split und NK Varazdin.
Als Deschamps 1998 mit der Équipe Tricolore triumphierte, da erlebte Dalic das Turnier als Zuschauer mit. „Ich war in Frankreich bei den ersten drei Spielen als Fan, dann musste ich heimreisen, um mich auf die neue Saison vorzubereiten.“ Varazdin war auch sein letzter Club als Spieler und der erste als Trainer. Das Nationaltrikot trug er im Gegensatz zu Deschamps mit seinen über 100 Länderspielen nie.
„Zlatko wer?“ lautete die Frage, als Verbandschef und Stürmer-Idol Davor Suker im vergangenen Oktober in höchster Not den arbeitslosen Dalic verpflichtete. Kroatien drohte unter Ante Cacic das Aus in der WM-Qualifikation. Der Neue war über den Umweg Albanien (Dinamo Tirana) erst in Saudi-Arabien gelandet und dann in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dort wurde Dalic Meister und Pokalsieger und hatte 2016 das Finale der asiatischen Champions League erreicht. Nichts, was im europäischen Fußball groß zur Kenntnis genommen wurde.
„Ich will keinen Vertrag, der mir das Recht gibt, die Hände in die Tasche zu stecken. Wenn wir nicht nach Russland fahren, bin ich sofort wieder weg“, versprach Dalic, fuhr mit dem Auto zum Flughafen, um dort erstmals mit der Mannschaft zusammenzutreffen. Zwei Tage später gewannen die Kroaten mit 2:0 gegen die Ukraine. Über die Playoffs gegen Griechenland schaffte es das Team um Luka Modric nach Russland.
Bei den letzten Weltmeisterschaften galten die Profis vom Balkan stets als großes Versprechen, scheiterten aber immer wieder an Egoismen oder Streitigkeiten. In diesem Jahr belastet zudem die Causa Zdravko Mamic den kroatischen Fußball: Der einstige Topfunktionär wurde zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil er umgerechnet 17 Millionen Euro bei Spielertransfers in die eigene Tasche gewirtschaftet hatte. Auch Superstar Modric muss eine Haftstrafe befürchten - wegen einer Falschaussage im Prozess.
Doch nun schaut die Fußball-Welt nur auf Modrics Füße, mit denen er die Bälle so wunderbar verteilt. Auch der Profi von Real Madrid lobt Dalic: „Seit ich in der Nationalelf bin, habe ich noch nicht so eine Gemeinschaft gesehen, die uns dahin geführt hat, wo wir jetzt stehen.“
Der Chefcoach ist klug genug, sich zurückzunehmen und seinen unverhofften Aufstieg nicht noch zu inszenieren. „Der Schlüssel ist, dass es zwischen mir und den Spielern geklickt hat“, erklärt der gebürtige Bosnier. „Ich kann diesen Spielern nicht Fußball beibringen, ich muss mich um andere Dinge kümmern.“ Um das große Ganze nämlich. Abwehrspieler Dejan Lovren erklärt: „Zlatko hat gezeigt, dass er von Anfang jenes Vertrauen in uns hat, was andere nicht hatten.“
Nach dem Halbfinal-Sieg gegen England hatte Dalic zur Pressekonferenz das rot-weiße Karo-Trikot als Signal an das freudetrunkene Vier-Millionen-Volk übergestreift. „Was wir für unser Land schaffen, ist fantastisch“, sagte er mit glänzenden Augen. Und jetzt das große Finale. „Das wird unser härtestes Spiel“, sagt Dalic. Aber er habe in seinem Leben schon immer „den steinigeren Weg genommen“.