Löw reizt Geheim-Vorbereitung aus - Trainings-Level gut
St. Leonhard (dpa) - Keine Spione bitte! Joachim Löw zieht das Vorbereitungscamp in Südtirol weiter als geheime Kommandosache durch. Der Bundestrainer gestattet auf dem idyllisch gelegenen Trainingsplatz am Fuße des 2179 Meter hohen Matatzspitz fast keine Einblicke.
„So können wir uns voll konzentrieren und top vorbereiten. Fußball hat erste Priorität“, erklärte der nach seiner Kreuzbandoperation zurückgekehrte Champions-League-Sieger Sami Khedira. Auch beim zweiten Übungsspiel am Donnerstag schloss „00-Löw“ im italienischen Passeiertal alle Augenzeugen aus, die nicht zum Stab seiner Weltmeisterschafts-Mission gehören.
Dennoch drang die Kunde von einer erneuten Knieverletzung Khediras nach außen, nachdem der Mittelfeldspieler nach einem Zusammenprall im Test gegen die U-20-Junioren behandelt werden musste. Der Profi gab anschließend sofort Entwarnung und bezeichnete anderslautende Meldungen als „völligen Blödsinn“. „Das war ein normaler Zweikampf Knie an Knie“, sagte Khedira dem „Kicker“ und ergänzte: „Solche Aktionen bringen mehr Vertrauen.“
Wieder einmal nur 20 Minuten durften die vielen Medienvertreter am Vatertag in St. Leonhard verfolgen, wie sich Löws WM-Kandidaten bei der ersten Übungseinheit aufwärmten. Der Fußballteil war dann schon wieder geschlossen. Nur kurz zu beobachten war so auch, wie sich Philipp Lahm langsam an das Teamtraining herantastet. Der Kapitän kann nach einer Kapselverletzung im linken Fuß teilweise wieder mit dem Ball üben. Bastian Schweinsteiger (Patellasehnen-Probleme) arbeitet schon etwas mehr mit der Mannschaft.
Torwart Manuel Neuer (Schulterverletzung) und Marcel Schmelzer (Knieprellung) machen weiter ein Aufbauprogramm, beide konnten zumindest wieder ein Lauftraining absolvieren. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das hinbekommen“, sagte Löw zum Wettlauf mit der Zeit bei einigen seiner Rekonvaleszenten. Für alle angeschlagenen Akteure stellte auch DFB-Teamarzt Tim Meyer eine hoffnungsvolle WM-Prognose: „Da bin ich in der Tat relativ zuversichtlich.“ Franz Beckenbauer hält aus der Ferne Neuer für das „größte Problem“ im Team: „Der muss sich ja wieder auf die Schulter schmeißen.“
Meyer stuft die Trainingsarbeit als erfolgreich ein: „Wir können sehr zufrieden sein. Das Training stimmt mit dem Level, den wir erwarten, sehr gut überein.“ Dass sich auch Benedikt Höwedes und Julian Draxler nach dem Unfall-Schock mit einem schwer verletzten deutschen Urlauber aus Thüringen schnell wieder auf dem Fußballplatz dem Alltag gestellt haben, bewertete Teammanager Oliver Bierhoff als gut.
Die beiden Schalker hatten als Beifahrer im Unfallauto von DTM-Pilot Pascal Wehrlein und im Mercedes von Formel-1-Star Nico Rosberg gesessen. „Beide Fahrer waren geschockt, das gilt auch für die beiden Spieler. Sie hatten das Bedürfnis, sich auszutauschen“, sagte Bierhoff zu den weiteren Auswirkungen des Unfalls.
Trotz des schlimmen Ereignisses, nach dem viele Fragezeichen bleiben, sieht Bierhoff „keine Konsequenzen für die Vorbereitung“ bis zum Ende des Camps am Samstag. Allerdings konnte er nicht verhindern, dass auch die Menschen in Südtirol Fragen nach dem Sinn der Fahrten mit den PS-starken Autos in einem Fußball-Trainingslager aufwarfen.
Man müsse sich trotz aller Tragik weiter auf die Trainingsarbeit und alle sportlichen Maßnahmen konzentrieren, betonte Khedira: „Das ist unsere Aufgabe und Arbeit.“ Der genesene Patient fühlt sich sechs Monate nach seinem Kreuzbandriss und seinem Comeback mit Real „fit“ für die Titelmission in Brasilien. „Sami wird natürlich noch etwas aufholen müssen, aber bei ihm sehe ich keine Probleme. Er ist gesund auf ordentlichem Niveau“, äußerte Löw.
„Die Spieler sind bereit, an Grenzen zu gehen und darüber hinaus“, informierte DFB-Geheimcoach Löw aus dem mit insgesamt 40 Sicherheitskräften gesicherten Camp. Erstmals wirklich zu überprüfen ist das am Sonntag (20.30 Uhr/ARD), wenn in Mönchengladbach gegen Kamerun der vorletzte WM-Test ansteht. „Wir müssen uns als Mannschaft finden, und da muss jeder seinen Part übernehmen“, erklärte Abwehrchef Per Mertesacker. Über die mögliche WM-Formation rätseln auch die Spieler noch. Löw habe zwar schon mit jedem geredet und auf dem Platz taktisch gearbeitet, verriet Jérome Boateng: „Aber man kann noch nicht sagen, dass sich etwas herauskristallisiert hat.“
Für Neuer, Lahm, Schmelzer und wohl auch Schweinsteiger kommt der Leistungstest gegen den WM-Teilnehmer Kamerun mit Trainer Volker Finke noch zu früh. Dagegen könnte sich Erik Durm mit seinem Länderspieldebüt für den endgültigen WM-Kader anbieten, den Löw am Montag melden muss. „Deshalb freue ich mich auf den Sonntag“, sagte der Dortmunder. „Wie wir da spielen, weiß noch keiner.“
Auch Löws Auswahl der 23 WM-Fahrer ist - wie könnte es anders sein - geheime Kommandosache. Der angeschlagene Schmelzer und dessen Dortmunder Teamkollege Kevin Großkreutz, der mit einer unappetitlichen „Pipi-Affäre“ in die Schlagzeilen geraten war, werden mit als Streichkandidaten gehandelt. Die Auswahl-Neulinge Shkodran Mustafi, Matthias Ginter und Kevin Volland sind seit der Nominierung Wackelkandidaten. Dagegen sind für Linksverteidiger Durm und die Mittelfeld-Option Kramer die Chancen gestiegen.
Der Gladbacher Kramer blieb vor seinem zweiten möglichen Länderspieleinsatz im Heimstadion zurückhaltend: „Meine Erwartungshaltung hat sich eigentlich nicht verändert. Ich bin unheimlich froh, dabeisein zu können“, sagte der 23-Jährige.