Umstrittener Besuch bei Erdogan Özil und Gündogan: Besuch bei Erdogan spaltet weiter die Gemüter
Die Restriktionen in der Causa Mesut Özil und Ilkay Gündogan beim offiziellen Medientag zeigen, wie schwierig die Aufarbeitung des Besuchs beim türkischen Staatspräsidenten der deutschen Nationalmannschaft fällt.
Eppan. Es war kurz nach elf, als am Dienstagvormittag die Auslöser von Dutzenden Fotografen die Ruhe der Sportzone Rungg im Waldstück bei Girlan störten. Kurz vorher waren 23 Nationalspieler durch die Meute geschlurft, die bereits seit einer halben Stunde in der prallen Stunde wartete, doch dann ging alles ganz schnell. Auf die Bänke gesetzt, Rücken gestreckt, Hals gerecht: In Windeseile war das offizielle Mannschaftsfoto der deutschen Fußball-Nationalmannschaft erstellt. Untere Reihe ganz rechts, leicht grinsend: Ilkay Gündogan. Zwei Plätze daneben, nicht ganz so freundlich: Mesut Özil.
Danach trennten sich die Wege der beiden Mittelfeldspieler mit türkischen Wurzeln: Özil absolvierte allein eine Einheit im Fitnesszelt. Stemmte Gewichte, strampelte auf dem Rad. Machte nicht halb so viel Spaß wie dem Kollegen Gündogan die Einheit mit vielen Ballübungen auf dem gepflegten Rasen. Der Profi vom FC Arsenal grenzte sich auch nach dem Mittagessen aus, indem er dem seit der WM 2006 üblichen Medientag fernblieb. Und diese Absenz wuchs sich zum nächsten Politikum aus.
Der bald 30 Jahre alte Taktgeber, der in den sozialen Netzwerken die Benchmark dieser Mannschaft bildet, ging auf Tauchstation, weil er keine Nachfragen zu seinem umstrittenen Besuch vor drei Wochen beim türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan ertragen wollte. „Mesut bittet um Verständnis, dass in seiner Wahrnehmung alles gesagt ist“, erklärte DFB-Pressesprecher Jens Grittner. Glücklich wirkte niemand beim Verband mit Özils Totalverweigerung. Gündogan gab immerhin auf der Terrasse ein Statement ab, das in schriftlicher Form erst am Abend die Autorisierung mit den Nachrichtenagenturen durchlief.
Gündogan erklärte: „Wir haben durch unsere türkischen Wurzeln noch einen sehr starken Bezug zur Türkei. Das heißt aber nicht, dass wir jemals behauptet hätten, Herr Steinmeier sei nicht unser Bundespräsident oder Frau Merkel nicht unsere Bundeskanzlerin. Es war nie das Thema, ein politisches Statement zu setzen." Der 27-Jährige betonte: „Wir sind in Gelsenkirchen geboren und aufgewachsen. Die Stadt hat einen sehr hohen Migrationsanteil. Es war daher für mich ein tiefer Schlag, dass es so dargestellt wird, dass wir nicht integriert seien und nicht nach deutschen Werten leben würden.“ Die jüngste Zeit sei für ihn nicht einfach gewesen: „Einige Reaktionen haben mich getroffen, vor allem auch die persönlichen Beleidigungen.“ Er verstehe, "dass man die Aktion nicht gut finden muss".
Unklar bleibt weiterhin, warum sich die zuletzt in Klagenfurt beim Länderspiel gegen Österreich aus der deutschen Kurve mit Pfiffen bedachten Auslandsprofis auf ein solches zwangsläufig zu Fehlinterpretationen führendes Fotoshooting einließen. Bekannte Nationalkicker haben der ohnehin schwierigen Integrationsdebatte einen Bärendienst erwiesen. Diese Baustelle beim für Toleranz, Fairplay, Respekt und Vielfalt werbenden Weltmeister aufzumachen, war fahrlässig.
Die Restriktionen beim Medientag am Dienstag demonstrierten im Grunde nur anschaulich, wie schwierig die Aufarbeitung fällt. Denn die Round-Table-Gespräche mit Journalisten unter den Sonnenschirmen am Pool des Mannschaftshotel Weinegg, wo mit Ausnahme von Gündogan und Özil alle anderen 21 Kicker teilweise entspannt auch über Themen abseits des Fußballs sprachen, dienten ja gerade dazu, gegenseitiges Verständnis zu wecken. Gündogan scheute die Runde womöglich wegen Nachfragen zu geschäftlichen Interessen seines London-Auftritts.
Nach Darstellung regierungsnaher türkischer Medien tritt er nicht nur als langjähriger Wohltäter, sondern neuerdings auch als Investor in der Heimatstadt seiner Familie in Dursunbey in der Provinz Balikesir auf. Die Spekulationen, er könnte mit dem Überreichen eines handsignierten Trikots an „meinen verehrten Präsidenten“ sich Vorteile verschafft haben, werden nicht verstummen. Özil argumentiert intern, dass er mit dem Zusammentreffen beim Bundespräsidenten Franz-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue genügend Abbitte geleistet habe.
Aber das Thema köchelt weiter. „Ich habe meine Meinung dazu“, sagte Sami Khedira am Dienstag. Den Stab will der Ersatzkapitän mit seiner eigenen Migrationsgeschichte nicht brechen, aber gutheißen muss er das Eigentor seiner Mitspieler ja nicht: „Sie wissen schon, was sie gemacht haben und wie sie jetzt damit umzugehen haben.“ Der Eindruck an einem Sommertag aus Eppan: Der eine sitzt auf dem Mannschaftsfoto ganz am Rand, der andere arbeitet allein im Fitnesszelt. So geht der Graben schon symbolisch nicht zu.