Oranje winkt Halbfinale - Heldenrolle für Huntelaar

Fortaleza (dpa) - Holland winkt gegen die WM-Sensation Costa Rica das Halbfinale, für „König Klaas“ hat „Louis Genigaal“ bei der nächsten Hitzeschlacht aber wohl erst einmal wieder nur einen Platz auf der Bank vorgesehen.

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Nach dem spektakulären 2:1 im Achtelfinale gegen Mexiko feierten die Niederländer Elfmeter-Held Klaas-Jan Huntelaar und Bondscoach Louis van Gaal, der bei der Weltmeisterschaft am Zuckerhut offenbar nichts falsch machen kann. Die geschlagenen Mexikaner und die internationalen Medien stellten unterdessen Bayern-Star Arjen Robben an den Pranger.

Mexikos nach dem unglücklichen Aus gar nicht mehr so fröhlicher Trainer Miguel Herrera warf Robben Schauspielerei vor. „Der Schiedsrichter hat uns betrogen“, schimpfte Herrera über den portugiesischen Referee Pedro Proença.

Allerdings brachten die Lateinamerikaner und einige Medien in der Nachbetrachtung einiges durcheinander. Schuld an der Verwirrung trug auch Robben selbst, der sich in einem Interview für eine Schwalbe entschuldigte. Jedoch meinte er damit die Szene kurz vor der Pause und nicht jene in der Nachspielzeit, die zum von Huntelaar sicher verwandelten Strafstoß führte. Dass Robben bereits Mitte der ersten Halbzeit ein klarer Elfmeter verweigert worden war, gab nachher sogar Mexikos Kapitän Rafael Márquez zu. Der Pfiff in der Nachspielzeit war dann zwar hart, aber vertretbar. Márquez traf Robben deutlich.

Der niederländische Verband zeigte sich am Montag „unangenehm überrascht“ über die Medienschelte gegen ihren Superstar. „Seine Aussagen sind verkehrt interpretiert worden“, zitierte „De Telegraaf“ ein Statement des KNVB.

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In den Diskussionen um Robben ging die Heldenrolle von Huntelaar fast unter. Drei Spiele lang spielte der Torjäger des FC Schalke 04 beim Vize-Weltmeister keine Rolle, doch als er gebraucht wurde, war Huntelaar eiskalt zur Stelle. „Klaas ist sehr cool. Das war ein exzellenter Job“, lobte van Gaal seinen Matchwinner beim hart erkämpften Sieg in der Tropen-Sauna Fortaleza. Nach dem Schlusspfiff tätschelte van Gaal liebevoll Huntelaars Wangen - einen Stammplatz wird es für Huntelaar dennoch nicht geben.

Denn van Gaal stellte klar: „Van Persie war ein taktischer Wechsel.“ Der Kapitän der Niederlande ist auch am Samstag in Salvador gegen die Zentralamerikaner für die Startelf gesetzt. Huntelaar weiß, dass er bei der Copa do Mundo die Hierarchie in der Elftal nicht kippen kann. Und er akzeptiert seine Reservistenrolle klaglos, auch wenn sie ihm keinesfalls gefällt. „Es ist hart auf der Bank. Aber man wartet und trainiert auf diesen Moment“, sagte der erst nach 76 Minuten eingewechselte „Hunter“. Zuvor war er schnell noch auf der Toilette entschwunden.

Die wegen der Schwüle und der nahezu unerträglichen Spannung völlig ausgelaugten Teamkollegen würdigten Huntelaars großen Verdienst am kaum noch für möglich gehaltenen Weiterkommen. „Das war sein Moment“, sagte Robben, der dem Schalker den Strafstoß überlassen hatte.

Wesley Sneijder, der mit seinem strammen Schuss zum 1:1 (88. Minute) nach Huntelaar-Vorlage die Voraussetzung für das Happy End erst geschaffen hatte, beeindruckte die Coolness des Kollegen: „Klaas kommt rein, nimmt sich den Ball, hat Selbstvertrauen und trifft.“ Auch die niederländischen Medien huldigten dem Schalker. Das „Algemeen Dagblad“ bezeichnete ihn als „König Klaas“.

Bedingungsloses Durchhaltevermögen, beeindruckender Siegeswille und eine bestechende Fitness im entscheidenden Schlussspurt waren neben dem von van Gaal hervorgehobenen „außergewöhnlichen Teamgeist“ der Schlüssel zum Erfolg dieser eingeschweißten Truppe. „Wir haben wie vor vier Jahren eine perfekte Stimmung in der Mannschaft“, erklärte Sneijder. Robben räsonierte: „Was wir mit dieser Mannschaft alles leisten. Ich bin wirklich so stolz auf diese Truppe.“

Van Gaal hob hervor, dass die Art und die Umstände dieses Sieges „enormes Selbstvertrauen“ geben würden. Dabei hatte der Taktik-Fuchs mit drei strategischen Schachzügen selbst die Grundlage für die - allerdings auch glückliche - Wende gelegt. Durch ein bis zum Rückstand durch Giovani dos Santos (48.) weitgehend abwartendes Agieren sparten die Niederlande viel Kraft. Die beiden Trinkpausen nutzte der Bondscoach zu Systemwechseln. Und dann die entscheidende Personalie: van Persie raus, Huntelaar rein.

„Louis Genigaal“ dichtete das van Gaal sonst eher kritisch begleitende Volksblatt „De Telegraaf“. Holland-Legende Johan Cruyff schwärmte von den „schönsten 20 Minuten“ der WM, forderte van Gaal aber zugleich auf, jetzt endlich auch beim traditionellen 4-3-3-System zu bleiben.

Gegen das bislang alle Erwartungen weit übertreffende Costa Rica ist Oranje klarer Favorit. Aber van Gaal wollte davon nichts wissen. „Die niederländischen Medien dachten, wir würden die Gruppenphase nicht überstehen. Wie können wir da Favorit sein?“, stichelte er süffisant gegen die heimische Presse.