Ronaldos „Friendly Fire“ zur WM: Zu viel versprochen
Rio de Janeiro (dpa) - Mit scharfen Worten hat sich ausgerechnet Rekordtorschütze und Organisationsmitglied Ronaldo den WM-Kritikern angeschlossen.
Die Aussagen des einstigen Stürmerstars richten sich kurz vor dem Anpfiff aber nicht gegen die oft gescholtene FIFA oder die WM als Fußball-Event in Brasilien, sondern primär gegen die nicht gehaltenen Versprechen bei der Umsetzung der Infrastrukturprojekte im Gastgeberland.
„Alles, was versprochen und nicht erbracht wurde. Es gibt Statistiken, ... dass nur 30 Prozent (der Projekte) zur WM abgeliefert werden, das ist meine Sorge und meine Scham. Den größten Schaden hat die Bevölkerung“, sagte Ronaldo, der Mitglied im Aufsichtsrat des lokalen WM-Komitees ist. Knapp zwei Wochen vor dem Eröffnungsspiel muss dies für die Regierung wie ein „Friendly Fire“ klingen - verbaler Beschuss aus den eigenen Reihen.
Verständnis zeigte Ronaldo „Fenômeno“ für den Fußball-Weltverband, dessen Geduld in den vergangenen Jahren arg geprüft wurde. „Ich glaube, die FIFA wird keine weitere WM mehr hier ausrichten wollen. Sie wird traumatisiert sein“, sagte der mit 15 Toren amtierende WM-Rekordtorschütze bei einer Diskussionsrunde der Zeitung „Folha de São Paulo“. Die Spielstätten sind seine Sorge nicht. „Die Stadien sind fast alle fertig, so oder so, sie werden fertig sein.“
Grund zum Fremdschämen sieht Ronaldo, der 2011 seine aktive Karriere beendete, vor allem wegen der seiner Meinung nach vorhandenen Schieflage zwischen den gemachten Versprechen und dem, was letztlich erfüllt wurde. Er spricht unter anderem von Umbauten an Flughäfen und dem Ausbau im öffentlichen Nahverkehr. „Ich glaube, dass, was fehlte, damit alles Versprochene auch abgeliefert worden wäre, war die Planung. Das Land wurde 2007 ausgewählt, die WM auszurichten. Es gab genug Zeit, alles zu erbringen, was versprochen wurde.“
Auch Brasiliens Fußballlegende Pelé hatte kürzlich in einem Interview mit Blick auf die WM-Vorbereitungen das Wort „Vergonha“ (Schande, Scham) in den Mund genommen. „Es ist inakzeptabel, dass einige Stadien nicht fertig geworden sind. Wir hatten viele Jahre Zeit - weit mehr als genug. Das ist eine Schande“, bemängelte „König Pelé“. Wie Ronaldo freut sich aber auch Pelé auf das Turnier, denn beide sind nach dem Ende ihre aktiven Laufbahn Vollblutfußballer geblieben. „Aber wenn ich an das Drumherum denke, mache ich mir Sorgen. Das frustriert mich“, räumte Pelé ein.
Das Gegenbild zeichnet die Regierung. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff konterte eine ähnliche Kritik Ronaldos schon am vorigen Wochenende, ohne ihn direkt beim Namen zu nennen. Es geben keinen Grund sich zu schämen, sagte sie. Sie sei stolz auf das Erreichte. Vize-Sportminister Luiz Fernandes legte diese Woche nach: „Es gibt keine Panik und auch keine Scham. Wir sind zuversichtlich, enthusiastisch und stolz. Wir werden eine fantastische Copa abliefern“, zeigte er sich überzeugt.
Ronaldo bleibt ob solcher Reaktionen gelassen. „Ich muss nicht mit Dilma (Rousseff) überstimmen oder nicht übereinstimmen. Jeder hat seine Meinung“, sagte er. Seine Stimme wird die seit 2011 amtierende Politikerin der Arbeiterpartei (PT) am 5. Oktober bei der Präsidentschaftswahl sowieso nicht bekommen. Er habe zwar eine exzellente Beziehung zu Rousseff, sei aber schon seit 15 Jahren ein Freund von Aecio Neves, dem voraussichtlichen Herausforderer. „Er ist ein Freund von mir, ich vertraue ihm und glaube, dass er eine exzellente Option ist, das Land zu verändern“, sagte Ronaldo. Auch das dürfte die Präsidentin nicht gerne gehört haben.