Gelungener Auftakt Russen feiern und träumen vom Achtelfinale: „Give me five!“

Moskau (dpa) - Gerhard Schröder gratulierte Wladimir Putin begeistert per Handschlag, Nicolas Sarkozy umarmte den strahlenden Kremlchef sogar. Russlands Präsident hatte nach dem 5:0-Kantersieg des WM-Gastgebers gegen Saudi-Arabien gar nicht genug Hände, um alle Glückwünsche entgegenzunehmen.

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Wie in einer Endlosschleife flimmerten die Bilder aus dem VIP-Bereich des Moskauer Luschniki-Stadions am Freitag über den Bildschirm. Am Triumph im Auftaktspiel konnten sich die Russen im Staatsfernsehen auch am Tag danach nicht satt sehen.

Das Riesenreich feierte den zweithöchsten Sieg in der Geschichte der WM-Eröffnungsspiele kräftig. In vielen Städten zogen euphorische Fans singend und Fahnen schwenkend nachts durch das Zentrum. Bei einem Autokorso in Moskau fuhr ein dressierter Braunbär mit. Sogar im WM-Spielort Jekaterinburg an Russlands Grenze zu Asien wälzte sich eine zäh abfließende Blechlawine durch das Zentrum. Immer wieder versicherten sich Fans, dass es kein Traum ist. 5:0 für Russland - ein Ergebnis, das viele wohl nur vom Nationalsport Eishockey kennen.

Noch vor kurzem hatten Kritiker die Nationalmannschaft als schnaufende Feierabendfußballer verhöhnt. Der Sachverstand von Trainer Stanislaw Tschertschessow wurde angezweifelt, als er die Ex-Bundesligaprofis Roman Neustädter und Konstantin Rausch nicht für den WM-Kader nominierte.

Nach dem unerwarteten Schützenfest befeuern auch russische Medien die Euphorie. „Danke, Jungs. Mehr davon!“, jubelte das Fachblatt „Sport-Express“ über das 5:0 und titelte unter Anspielung auf den international beliebten Handschlag: „Give me five!“ In Saudi-Arabien ist die Stimmung hingegen im Keller. „Eine blasse Leistung und eine heftige Niederlage“, titelte die Nachrichtenseite Okaz und schrieb in Anlehnung an die Trikotfarbe: „Nicht einmal die größten Pessimisten haben eine so schwere Niederlage der saudischen Grünen erwartet.“ Die Zeitung „Al-Watan“ sprach von einem „schmerzhaften Sturz“.

Natürlich steht Denis Tscheryschew auch am Tag danach im Mittelpunkt. Beim Interview ist der Stürmer vom FC Villarreal nervöser als bei seinem Doppelpack. „Ich habe niemals davon geträumt. Ich bin so happy“, sagt der 27-Jährige, der erst nach der Verletzung von Routinier Alan Dsagojew ins Spiel gekommen war. Für seinen Schlenzer zum 4:0 ist für viele sogar der Begriff „Traumtor“ zu blass. Und erstmals trafen nun zwei Generationen für die Sbornaja: Vater Dmitri hatte 1995 gegen San Marino (7:0) ein Tor für Russland erzielt.

Bei Dsagojew bestätigte eine Kernspintomographie (MRT) am Freitag eine Muskelverletzung im Oberschenkel. Wie lange der Spieler von ZSKA Moskau fehlen wird, war unklar. „Der Zeitplan für seine Regeneration wird in den kommenden Tagen stehen“, teilte der Fußballverband mit.

Nach dem 5:0 forderte Putin bei einem Telefonat mit Tschertschessow: „Weiter so!“ Am Freitag betonte der Kremlchef: „Ich habe gratuliert - natürlich unter dem Vorbehalt, dass die wichtigsten Spiele noch kommen.“ Tschertschessow zügelt die Gefühle. „Die Spieler sollten den Sieg nicht vergessen, aber den Erfolg beiseite legen und sich aufs nächste Spiel konzentrieren“, betont der frühere Bundesligatorwart von Dynamo Dresden. In St. Petersburg wartet am 19. Juni Ägypten, das nach einer 0:1-Niederlage im ersten Gruppenspiel gegen Uruguay bereits unter erheblichem Erfolgsdruck steht.

Tschertschessow und mit ihm die ganze Nation hofft, dass der gelungene Start der Mannschaft Leichtigkeit in die Beine zaubert. Denn gegen das spielerisch limitierte Team aus Saudi-Arabien waren die meisten Spielzüge nicht berauschend. Beide Teams hielten es mit Sicherheit, wenngleich mehr Leichtfüßigkeit bei der Sbornaja zu entdecken war. Das lag vor allem am offensiven Energiebündel Alexander Golowin von ZSKA Moskau, der angeblich heftig von Juventus Turin umworben ist. Mit ihm als Spielmacher hofft Russland nun stärker auf das erstmalige Erreichen eines WM-Achtelfinales.

Für einen Moment ist nach dem 5:0 auch die Skepsis vieler Russen weniger zu hören, die die Heim-Weltmeisterschaft als „Putins Ein-Mann-Show“ geißeln. Für den Lebenstraum des „Zaren“ würden Milliarden verpulvert, kritisieren sie. Scheitert die Sbornaja trotz des glänzenden Starts, werden solche Fragen wieder drängender sein.