Zidane-Nachfolger Spanien-Coach Lopetegui übernimmt nach WM Real Madrid
Madrid/Krasnodar (dpa) - Julen Lopetegui und Real Madrid haben drei Tage vor Spaniens WM-Auftakt die Fußball-Welt überrascht. Der Nationaltrainer des Topfavoriten wird nach dem Endrundenturnier in Russland Chefcoach beim Champions-League-Sieger Real Madrid.
Der 51-Jährige tritt die Nachfolge des zurückgetretenen Zinédine Zidane an, wie der spanische Rekordmeister bekanntgab. Auf diesen Transfer-Coup deuteten nicht einmal Gerüchte hin: Lopetegui hatte erst kürzlich seinen Vertrag beim Weltmeister von 2010 um zwei weitere Jahre verlängert.
Der frühere Torwart werde einen Dreijahresvertrag unterzeichnen, teilte Real auf seiner Internetseite mit. Lopetegui kann dank einer Ausstiegsklausel wechseln. Dies geht aus einer Erklärung des spanischen Fußball-Verbandes (RFEF) hervor, die im WM-Camp im russischen Krasnodar veröffentlicht wurde. „Die RFEF wird die Zahlung für die Ausstiegsklausel erhalten, damit der derzeitige Nationaltrainer bei Real Madrid unterschreiben wird“, heißt es. Eine Ablösesumme, auch für Trainer längst üblich, wurde nicht genannt. Laut „Marca“ beträgt sie 2 Millionen Euro.
Der Verband bat zudem um „maximalen Respekt“, um der Mannschaft die bestmögliche Konzentration auf ihr erstes WM-Spiel am Freitag in Sotschi gegen Europameister Portugal zu ermöglichen. Verbandspräsident Luis Rubiales kündigte für diesen Mittwoch (11.30 Uhr Ortszeit/10.30 Uhr MESZ) in Krasnodar eine Pressekonferenz an.
Auch im Quartier der Spanier in der Akademie des FC Krasnodar hatte am Dienstag nichts auf diese Volte hingewiesen. Die Mannschaft um Spielmacher Andrés Iniesta und Bayern-Profi Thiago trainierte bei fast 30 Grad. Mittelfeldspieler Koke von Atlético Madrid gab eine kurze, wenig spannende Pressekonferenz, ehe die mehr als 100 Medienvertreter wieder unaufgeregt abzogen.
Lopetegui hat seit seinem Amtsantritt 2014, nachdem Spanien unter Vicente del Bosque in der WM-Vorrunde kläglich gescheitert war, keines seiner 20 Spiele verloren - bei 14 Siegen. Als Torhüter war der Baske oft die Nummer zwei oder drei - wie von 1989 bis 1991 bei Real Madrid, 1994 bis 1997 beim FC Barcelona oder bei der WM 1994, als Andoni Zubizarreta und Santiago Cañizares vor ihm standen.
Sein Aufstieg im Trainergeschäft kam relativ spät. Noch vor rund vier Jahren war der Mann aus dem Baskenland selbst bei den meisten Fans in Spanien ein Nobody. Immerhin bestritt er ein Länderspiel - 1994 gegen Kroatien. Auch zur Nummer eins im Trainerstab des spanischen Verbandes musste er sich hocharbeiten. 2012 wurde Lopetegui mit der U19 Europameister, ein Jahr später mit der U21.
Danach trainierte er zwei Jahre den FC Porto, ehe er wegen Erfolglosigkeit beurlaubt wurde. In seinem ersten Jahr scheiterte er allerdings erst im Viertelfinale der Champions League am FC Bayern. Als die Münchner im Hinspiel 3:1 bezwungen wurden, wurde er von der spanischen Sportzeitung „AS“ zum „Giganten“ erhoben und sogar mit dem heutigen Manchester-City-Trainer Pep Guardiola verglichen und „Guardiola Nummer zwei“ getauft.
Dabei war Lopetegui in seinem ersten Trainerjahr beim Madrider Verein Rayo Vallecano (2003/2004) in der 2. Liga schon vor Saisonende beurlaubt worden. Der Schlag saß wohl tief, denn lange Jahre jobbte Lopetegui anschließend nur als TV-Kommentator oder Club-Scout. Einige erinnerten sich an ihn nur deshalb, weil er einmal als Kommentator vor laufenden Kameras plötzlich ohnmächtig geworden war.
Mit den Spaniern marschierte Loptegui als Nationaltrainer durch die WM-Qualifikation und ließ dabei auch Italien hinter sich. Die einstigen Tiki-Taka-Fußballer glänzten mit präzisem Tempofußball unter ihrem neuen Chefcoach - wie es auch beim 1:1 im März in Düsseldorf gegen Deutschland zu bewundern war. Spätestens nach einem 6:1 im März gegen Argentinien war sich die Fachwelt sicher: Spanien ist einer der Topfavoriten auf den WM-Titel.
Lopetegui könnte nun bei einem Triumph im Finale von Moskau ungeschlagen als Weltmeister gehen - wenn er ohne Niederlage durch die Gruppenspiele kommt. Zum WM-Auftakt am Freitag (20.00 Uhr/ARD) steht ihm ausgerechnet Portugal mit Cristiano Ronaldo gegenüber. Der Weltfußballer hatte nach dem Champions-League-Sieg gegen den FC Liverpool mit seinem Abgang geliebäugelt. Jetzt kann ihn sein künftiger Chefcoach vielleicht vom Gegenteil überzeugen.