Spanien vor Spiel um „Leben und Tod“
Rio de Janeiro (dpa) - Spaniens ruhmreichsten Fußball-Jahren droht ausgerechnet im WM-Tempel Maracanã von Rio de Janeiro ein niederschmetterndes Ende. Schon im zweiten Gruppenspiel kann die Mission Titelverteidigung für den Weltmeister von 2010 und Europameister von 2008 und 2012 vorbei sein.
„Es ist ein Spiel auf Leben und Tod“, dramatisierte Mittelfeldmann Cesc Fábregas vor der Partie gegen selbstbewusste und titelhungrige Chilenen. „Für sie ist es ein Finale, für uns aber auch. Denn bei einem Sieg wären wir schon weiter“, sagte Chiles Coach Jorge Sampaoli.
Ein Erfolg ist für die Spanier ein absolutes Muss. Eine Garantie fürs Weiterkommen sind drei Punkte aber noch lange nicht. Am Ende (der Gruppenphase) könnte dem Titelverteidiger bei Punktgleichheit die miserable Tordifferenz nach dem desaströsen 1:5 zum Auftakt gegen die Niederlande zum Verhängnis werden. „Wir müssen gewinnen, ein Remis ist zu wenig“, stellte Abwehrchef Sergio Ramos fest. Denn es ist kaum anzunehmen, dass sich Chile von Arjen Robben & Co. im letzten Gruppenmatch ähnlich hoch abfertigen lässt, wie die Spanier in ihrem ersten Spiel.
Immerhin ist die erste Schockstarre überwunden und die alte Zuversicht eingekehrt. Trainer Vicente del Bosque hat es mit seiner beeindruckend ruhigen und ausgeglichenen Art geschafft, relativ schnell wieder ein Klima der Normalität herzustellen - so gut dies angesichts der komplizierten Konstellation eben möglich ist.
Seinem Naturell und seiner Philosophie entsprechend, erteilte der honorige del Bosque Forderungen nach radikalen Konsequenzen eine klare Absage. Weder das System noch das Stammpersonal stehen für ihn zur Disposition. Dennoch kündigte er eine andere Startelf als gegen die Niederlande an. „Wir werden ein bisschen umstellen, nicht viel, aber ein bisschen“, sagte der 63-Jährige am Dienstag im Estádio do Maracanã von Rio de Janeiro. „Dies bedeutet aber nicht, dass wir jemanden brandmarken“, betonte er zuvor in einem Interview des TV-Senders Cuatro.
Der Erfolgstrainer vertraut weitgehend seinem WM-Kern von Südafrika, den er nur behutsam um ein paar junge Talente und Mittelstürmer Diego Costa ergänzt hat. Der hispano-brasilianische Neuling ist ein Kandidat, der eventuell weichen muss. Für ihn könnte der wesentlich spielstärkere und ebenfalls torgefährliche Fábregas ins Team rücken. Als „falscher Neuner“ hat der künftig für den FC Chelsea spielende Katalane schon mehrfach überzeugt.
Zudem dürfte der robustere und abschlussstärkere Pedro den Edeltechniker David Silva auf der Außenbahn ersetzen. Ins offene Messer laufen wollen die Iberer aber nicht. „Wir wissen, dass ein Remis zu wenig ist, aber wir müssen die Ruhe bewahren“, forderte Ersatzstürmer Fernando Torres.
Del Bosque weiß, dass Spanien Chiles aggressivem Attackieren etwas entgegensetzen muss. Die Südamerikaner seien sehr gefährlich, sagte er. Zugleich könnte deren „selbstmörderisches Pressing“ eine Schwachstelle sein. „Wir haben eine Idee“, deutete er pfiffig an.
Zumindest Arturo Vidal beeindruckt das wenig. „Wir hoffen, gegen Spanien gut zu spielen und drei Punkte zu holen“, sagte der ehemalige Profi von Bayer Leverkusen selbstbewusst. „Wenn wir sie rausschmeißen würden, wäre das schön. Aber wir sind nicht gekommen, um Spanien zu eliminieren, wir sind gekommen, um Weltmeister zu werden.“
Dafür fehlt angesichts der nicht vollauf überzeugenden Vorstellung beim 3:1 gegen Australien noch viel. Vidal konnte nach seiner Knieoperation Anfang Mai das Spiel noch nicht wie erhofft antreiben. Das übernahm Stürmerstar Alexis Sánchez. Beide standen auch schon vor vier Jahren bei der 1:2-Niederlage in Pretoria auf dem Platz, die beiden Teams ermöglichte, ins Achtelfinale einzuziehen. Diesmal könnte für eine Mannschaft aber das Aus kommen.
Chiles Coach Jorge Sampaoli kündigte nur kleinere Veränderungen, am System will er festhalten. Es sei weder ein besonders guter noch ein besonders schlechter Zeitpunkt, um gegen Spanien zu spielen. „Sie sind immer noch eines der besten Teams der Welt“, sagte Sampaoli.