Torlinien-Technologie: Klarheit im TV, Verwirrung im Stadion
Das deutsche Goal-Control-System funktionierte bei Frankreichs Sieg, doch die Anzeige ist verbesserungswürdig.
Porto Alegre. Das Wort von Noel Valladares hat im Nationalteam von Honduras Gewicht. Er ist Keeper und Kapitän, Leitfigur und Meinungsmacher. Ein zurückhaltender Charakter, den mit 37 Jahren nicht mehr viel aus der Ruhe bringt. Doch als der Tormann von Olimpia Tegucigalpa sich nun im Bauch des Estadio Beira-Rio von Porto Alegre nach der 0:3-Niederlage gegen Frankreich durch die Mixed Zone schlängelte, sprach aus seinen Augen eine tiefe Enttäuschung. Seine persönliche Empfindung überstimmt von einer technischen Entscheidung — ein von seinem linken Arm abgelenkter Pfostenschuss von Karim Benzema erforderte den Einsatz der erstmals eingesetzten Torlinientechnologie.
Goal Control heißt das in Würselen bei Aachen entwickelte Computersystem, um zu ermitteln, ob ein Ball mit vollem Durchmesser hinter der Linie ist. Valladares behauptete steif und fest das Gegenteil. „Ich bin mir sicher, dass es kein Tor war.“ Technik hin oder her — die Debatte verstummt nicht.
Geschäftsführer Dirk Broichhausen von der Würselener Firma versprach vor dieser WM „keinerlei Probleme“. Und freute sich gestern über die letztlich bestandene Bewährungsprobe: „Da hat das System gezeigt, was es kann und wofür es da ist“, sagte Broich, der die Szene in einem Hotel in Salvador verfolgte und „sofort begeistert“ war.
Und doch war es vielleicht für den Fernsehzuschauer eine perfekte Premiere — gewiss nicht für den Stadionbesucher. Die Crux: Die erste Einstellung war noch mit dem Signal „No Goal“ versehen, unmittelbar danach leuchtete die zweite Sequenz mit dem Hinweis „Goal“ auf. „Für das zweite Tor von Frankreich trat eine besondere Situation ein, in der der Ball den Innenpfosten des Tores traf, dann ins Feld zurücksprang, bevor er den Torwart traf, zum Tor rollte und die Linie überquerte“, hieß es in einer Fifa-Mitteilung. Also: Das erste Bild entstand beim Pfostenschuss vom Doppeltorschützen Benzema, die zweite Aufnahme nach dem Abpraller von Valladares, dem letztlich ein Eigentor angekreidet wurde.
Für die 43 000 Stadionbesucher fehlte allerdings diese Einordnung. Das Wirrwarr an den Videotafeln ließ die Anhänger aufstöhnen und die Trainer die Schultern zucken. Und so brauchte auch der brasilianische Schiedsrichter Sandro Ricci lange, um auf Tor zu entscheiden, nachdem auf seiner Uhr das Signal „Goal“ blinkte.
Mit der Verwirrung vor Ort führte zuvorderst der Verlierer seine Klage. „Die erste Entscheidung lautete ‚No Goal‘. Wenn das System eine klare Meinung hat, muss eine klare Message her“, sagte Honduras-Trainer Luis Suarez. Pragmatisch betrachtete es Matchwinner Benzema: „Für mich ist es das Wichtigste, dass es gezählt hat. Fußball ist manchmal so, dass man gewisse Sachen nicht sieht.“
Dafür sind ja seit diesem Turnier in dem Dutzend brasilianischer Arenen allerorten 14 Hochgeschwindigkeitskameras unter dem Stadiondach installiert, die angeblich die Position des Balles mit über 500 Bildern pro Sekunde erfassen. Wichtig wäre, dass anschließend allen ein eindeutiges Bild präsentiert wird — wie der Weltverband jetzt auch erkannt hat. Bisher zeige „Goal Control“ alle strittigen Fälle innerhalb der Torlinie an — wenn zwei Szenen kurz hintereinander ablaufen, komme der Widerspruch zustande. Daher wolle man die Prozedur nun überdenken und nur das Signal „Goal“ einblenden. Besser wäre es.