Ungewohnt scharfe Kritik an Hitzfeld
Porto Seguro (dpa) - So etwas hat Ottmar Hitzfeld noch nicht erlebt. Nach dem 2:5-Untergang gegen Frankreich, seinem größten Debakel als Coach der Nati, wurde der 65-Jährige von den Schweizer Medien so hart attackiert wie noch nie.
Dem Trainer-Gentleman droht nun im Dschungel-Spiel gegen Honduras sogar das schmachvolle Ende einer großartigen Karriere.
Trotz der ungewohnt scharfen Kritik versuchte Hitzfeld gelassen zu wirken. „Wichtig ist, dass man Ruhe bewahrt und nicht in Hektik verfällt und dass man nicht zu viel Zeitung liest“, sagte der deutsche Coach nach dem WM-Debakel. In einigen führenden Blättern der Schweiz bezog er bisher nicht gekannte Prügel.
Die „Lehrstunde“ gegen Frankreich gelte auch für den „Mann an der Seite, Trainer Ottmar Hitzfeld“, schrieb der „Tages-Anzeiger“. Hitzfeld habe „geglaubt, in den letzten dreieinhalb Jahren sei eine solide Basis entstanden. Aber auch er ist einem fatalen Irrtum unterlegen“, lautete das schonungslose Fazit.
Die „Basler Zeitung“ klagte: „Es ist wohl doch so, dass sich die Vorsicht des Mathematiklehrers Ottmar Hitzfeld in der Spielweise unseres Teams widerspiegelt. Und wenn das wie gegen die Franzosen in die Hosen geht, gibt es keinen Plan B.“ Und das „St. Galler Tagblatt“ ätzte: „Die Begegnung mit Frankreich hat schonungslos gezeigt, dass Hitzfeld das 'talentierteste Schweizer Nationalteam' in den vergangenen vier Jahren spielerisch nicht weitergebracht hat.“
Falls die „Leidgenossen“ gegen Honduras scheitern und Hitzfelds Karriere im Regenwald von Manaus endet, dürfte die abschließende Kritik am Meistertrainer noch heftiger werden. Der zweimalige Champions-League-Sieger, der nach seiner letzten WM-Partie in Rente geht, setzte dagegen: „Ich gehe nicht davon aus, dass das Spiel am Mittwoch mein letztes Spiel sein wird.“
Nach der Rückkehr vom 2:5-Debakel gegen die Franzosen ins Trainingscamp in Porto Seguro war der Coach ganz offensichtlich um Optimismus bemüht. „Trotz der hohen Niederlage bin ich zuversichtlich, dass wir gegen Honduras gewinnen und das Achtelfinale erreichen werden“, betonte Hitzfeld und forderte: „Wir müssen die Fehler ansprechen und analysieren. Dann müssen wir den Blick ... nach vorne richten.“
Zur Kritik an einzelnen Spielern wie Xherdan Shaqiri wollte Hitzefeld sich - so wie bei früheren Stationen seiner glanzvollen Karriere - nicht äußern. „Ich will nicht ins Detail gehe, das mache ich mit der Mannschaft“, entgegnete der Coach. So beklagte der „Tagesanzeiger“ unter anderem Shaqiris „übersteigertes Selbstvertrauen. Auch diesmal wirkte er überheblich, hatte die Allüren eines Stars, der beleidigt liegen blieb, wenn er den Ball verloren hatte“.
Zu allem Überfluss muss Hitzfeld auf seinen Abwehrchef verzichten. Für Steve von Bergen ist die Fußball-WM beendet, denn er zog sich bei dem Zusammenstoß mit Olivier Giroud eine schwere Gesichtsverletzung zu und muss wegen der Fraktur des linken Augenhöhlenbodens heimreisen.