Von Jacken und Haaren: Eine WM mit viel Aberglaube

Ribeirão Preto (dpa) - 30 Grad, hohe Luftfeuchtigkeit - und trotzdem trug Brasiliens Fußball-Nationaltrainer Luiz Felipe Scolari beim WM-Spiel gegen Mexiko (0:0) eine Trainingsjacke.

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„Ich trage immer eine Jacke, und wenn ich das nicht tue, ist es so, als ob ein Glücksbringer fehlt“, erklärte der 65-Jährige einem TV-Reporter am Dienstag in Fortaleza. Im Millionen-Business Fußball geben die wenigsten offen zu, dass sie abergläubisch sind. Aber auch bei der WM in Brasilien spielen Amulette, Rituale, Marotten und Spleens sogar bei vielen Weltstars und Topnationen eine wichtige Rolle.

Vor der WM soll Scolari laut brasilianischen Medienberichten vieles von dem wiederholt haben, was er vor dem Gewinn der Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea getan hatte. „Felipão“ hielt jüngst erneut eine Rede vor Uni-Studenten und besuchte in seinem Bundesstaat Rio Grande do Sul auch wieder die Kirche Nossa Senhora de Caravaggio. „Scolari ist sehr abergläubisch. Das geht so weit, dass er viele Spieler nur deshalb in den WM-Kader berufen hat, weil sie 2013 beim Triumph im Confederations Cup dabei waren, obwohl sie seit Monaten nicht in Form sind, wie Stürmer Fred etwa“, meinte zumindest der Kolumnist Xico Sá.

Der Manager der argentinischen Nationalelf, Carlos Bilardo, soll nach dem Eintreffen im WM-Quartier in Belo Horizonte die Zimmernummern „13“ und „17“ entfernt haben, die jeweils Pech und Unglück bedeuten sollen. Vom Weltmeistertrainer von 1986 gibt es auch noch diese Anekdote: Vor dem Elfmeterschießen im Halbfinale der WM 1990 gegen Gastgeber Italien ließ er Sergio Goycochea auf dem Platz urinieren, weil eine erste derartige Einlage des Torwarts nach Bilardos Überzeugung im Viertelfinale der Albiceleste Glück gebracht hatte.

Auch viele der weltbesten und teuersten Profis haben ihre Marotten. „Ich knie vor jedem Spiel in der Kabine vor meinem Trikot nieder und bete, damit sich niemand verletzt. Dann betrete ich den Platz immer mit dem rechten Fuß zuerst und bekreuzige mich dreimal“, erzählte Brasiliens Kapitän Thiago Silva dieser Tage.

Eine noch längere Liste muss angeblich Weltfußballer Cristiano Ronaldo abarbeiten. Nach einem Bericht der spanischen Sportzeitung „Marca“ hat der Portugiese von Real Madrid mindestens acht Spleens. Dazu gehöre unter anderem ein bestimmter Platz im Mannschaftsbus und das Streicheln der eigenen Haare.

Aberglaube und Glaube liegen im Fußball dicht beieinander. Viele Spieler beten vor dem Anpfiff oder richten beim Torjubel Zeigefinger und Blick gen Himmel. Bilardo hat immer Statuetten verschiedener Heiliger Jungfrauen bei sich. Ganz und gar nicht religiös war Joachim Löws blauer Kaschmirpulli, der bei der WM 2010 als Glücksbringer in Deutschland und anderen Ländern berühmt wurde.

Den einen oder anderen Spleen oder festen Vorbereitungsablauf haben sie (fast) alle. Aber nur einer kann am Ende den Titel gewinnen. Und so kommt es, dass man irgendwann einmal Einsicht zeigen und dem Aberglauben abschwören kann - wie Japans Trainer Alberto Zaccheroni. Vor dem Spiel gegen Griechenland wurde der 61-Jährige nach seinen Ritualen gefragt. „Damals, wenn die Mannschaft vor dem Spiel ein Foto gemacht hat, haben wir verloren. Also habe ich das verboten, und wir haben nicht mehr verloren“, erzählte er. Heute aber, so der Italiener, habe er keine Rituale mehr. „Ich konzentriere ich mich jetzt nur auf das, was meine Spieler machen.“