WM 2018 Vor dem Spiel gegen Schweden: Neuer spricht Klartext

Moskau. Sie reden offenbar Tacheles hinter verschlossenen Türen: „Ich glaube, so stark wie nach dem Mexiko-Spiel war die Kommunikation bei uns noch nie“, sagte Kapitän Manuel Neuer, der zur Pressekonferenz im Mannschaftsquartier mit 45 Minuten Verspätung kam, weil der Redebedarf offenbar in der Mannschaftssitzung so groß war.

Torwart Manuel Neuer bei der Pressekonferenz am Dienstag.

Foto: Ina Fassbender

Das sei ein gutes Zeichen: „Wir sind unsere schärfsten Kritiker, wir sind sauer auf uns selbst und enttäuscht, was wir gezeigt haben.“

Laut Manuel Neuer gibt es keinerlei Beschönigungen. „Wir nehmen kein Blatt vor den Mund, wir haben uns ehrlich die Meinung gesagt“, verkündete der wiedergenesene Torhüter, der zwar immer wieder beteuerte, dass das Klima im Team nach wie vor gut sei. Er ließ aber auch durchblicken, dass es in den Diskussionen der Führungsspieler heiß hergegangen sei. In den Gesprächen sei vieles zur Sprache gekommen, was zuvor unausgesprochen geblieben war, denn: „Es ist ganz wichtig, dass wir uns Sachen ins Gesicht sagen.“

Deutschland gegen Mexiko - Die Niederlage in Bildern
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Was anderes war freilich auch nicht zu erwarten, denn Jérôme Boateng und Mats Hummels hatten schon kurz nach dem Spiel massiv die mangelnde Balance in der Mannschaft beklagt. „Eine Spaltung gibt es aber nicht“, sagte Neuer, mit Blick auf einen von vielen Beobachtern vermuteten Bruch zwischen den arrivierten Weltmeistern und den Confed Cup-Siegern des vergangenen Jahres um deren Kapitän Julian Draxler. „Wir sind eine Mannschaft.“

Die Antwort auf die Frage nach den Ursachen des blamablen Kicks seiner Spielkameraden liege weniger im spielerischen Bereich: „Um erfolgreich spielen zu können, brauchen wir die hundertprozentige Bereitschaft der Führungsspieler, die nicht so vorhanden war, wie bei den Turnieren vorher.“ Große Umstellungen und eine Abkehr vom bisherigen System seien mit Blick auf das Spiel am Sonnabend gegen Schweden nicht notwendig: „Grundsätzlich hatten wir sehr gute und erfahrene Spieler auf dem Platz.“

Gleichzeitig sagte der Kapitän aber auch: „Mexiko ist keine Laufkundschaft und hat uns vor Probleme gestellt, mit denen wir nicht umgehen konnten.“ Dass der mexikanische Trainer mit seiner nicht erwarteten Taktik überrascht habe, gestand Neuer zu, doch mochte er daraus keine Ursache für die Niederlage destillieren. Die Mannschaft sei erfahren genug, um mit so einer Situation umzugehen und sich einer neuen Situation anzupassen. Für das Spiel gegen die Schweden, das bei einer Niederlage das Ausscheiden aus dem Turnier bedeuten wird, stellt der Kapitän seiner Truppe zwei Fragen: „Habe ich die Bereitschaft, dieses Turnier zu hundert Prozent anzunehmen? Bin ich bereit, alles für unser Team zu geben?“

Manuel Neuer ist davon überzeugt, dass alle seine Teamkollegen diese Frage eindeutig beantworten. Vielleicht, so seine Einschätzung, helfe auch der Tapetenwechsel mit dem Umzug von der Sportschule in Watutinki ins russische Bade-Paradies am Schwarzen Meer in Sotschi. Neuer: „Es ist ein Zeichen, dass etwas Neues kommt, wir sind froh, in eine andere Stadt zu reisen und etwas anderes erleben zu können.“

Ganz am Ende seiner Ausführungen mochte Manuel Neuer noch ein Bekenntnis loswerden: „Den Hebel einfach umzulegen, ist nicht so leicht, wie man das aussprechen kann, aber ich bin davon überzeugt, dass wir ein anderes Gesicht zeigen werden.“ Das Team müsse das zeigen, was es in der Vergangenheit stark gemacht hat. Neuer: „Wir werden uns für die K.-o.-Runde qualifizieren, weil wir die nächsten beiden Spiele gewinnen.“ Unmittelbar nach der Pressekonferenz startete der DFB-Tross gen Schwarzes Meer. Der am Wochenende wegen eines grippalen Infekts verhinderte Jonas Hector war mit an Bord der Sondermaschine. Statt Sonne wurde die Nationalmannschaft in Sotschi von schwarzen Wolken erwartet. Ein Gewitter lag über der Stadt. Irgendwie passte das.