Licht- und Schattenseiten Was bleibt von Putins Prestige-Weltmeisterschaft?

Moskau (dpa) - Spielerisch gesehen hat die Fußball-Weltmeisterschaft in Russland viele Überraschungen gebracht. Aber auch organisatorisch war die Spannung für den Gastgeber groß. War die WM, die von den russischen Organisatoren und der FIFA als die beste aller Zeiten angekündigt worden war, ein Erfolg?

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Präsident Wladimir Putins Prestige-Projekt in der Einzelkritik:

Russlands Prestige-Projekt in der Einzelkritik:

RUSSLANDS IMAGE: Zehntausende Fans aus der ganzen Welt sind nach Russland gekommen. Viele von ihnen führte der Weg erstmals in das größte Land der Erde. Einige sind von der Freundlichkeit der Russen beeindruckt, vor allem der sonst so grimmigen Polizisten. „Ich habe mich sehr willkommen gefühlt. Ich kann kein Russisch. Ich kann aber sagen: Ich habe eine grandiose Zeit hier verbracht“, sagte ein Fan aus Frankreich. Die russische Organisatoren sind sicher: Die WM hat den Ruf des Landes, das mit Sanktionen belegt, in Kriege verwickelt ist und dessen Beziehungen zu einigen WM-Teilnehmerländern angespannt sind, deutlich aufgebessert. „Russland ist besser, als viele dachten, vor allem im Westen“, sagte WM-Cheforganisator Arkadi Dworkowitsch. Die WM hat Russlands Türen für die Welt weit geöffnet - gleichzeitig viele Probleme aber wohl nur für kurze Zeit ausgeblendet.

SOMMERMÄRCHEN-CHECK: Anfangs waren die Russen skeptisch, ob die Sbornaja überhaupt die Vorrunde überstehen wird - die Feierlaune in der Bevölkerung war eher verhalten. Doch allmählich begann in den WM-Städten tatsächlich eine Art Sommermärchen. Die Fanmeilen waren bei den meisten Spielen voll. Gäste aus Südamerika feierten gemeinsam mit Russen ausgelassen bis in die Morgenstunden, auch in den nicht dafür vorgesehenen Einkaufsstraßen. Der bunte Trubel und die teilweise hemmungslose Euphorie wurden im sonst so reglementierten Land als Ausnahmezustand toleriert. Die WM hat Russland in dieser Hinsicht lockerer gemacht, aber Beobachter sind sich einig, dass der Effekt wird nur kurzfristig sein wird.

POLITISCHER SCHATTEN: Hinter den WM-Kulissen brodelt es gewaltig: Eine stark kritisierte Rentenreform treibt die Menschen auf die Straßen. Die Regierung entschied kurz vor dem Eröffnungsspiel, das Rentenalter für Frauen um acht Jahre und bei Männern um fünf Jahre anzuheben. Mit Reaktionen rechnete die Machtelite zwar, aber die WM sollte die Bürger milder stimmen, sagen Politologen. Die Rechnung ging auf: Den Protestaufrufen der Gewerkschaften folgten nur ein paar Tausend Menschen. Festnahmen gab es kaum. Gegen WM-Ende mehren sich jedoch die kritischen Stimmen. Nach der Euphorie dürfte der Protest wieder aufkochen, sind sich Experten sicher.

WIRTSCHAFTLICHES ERBE: Russland hat viel in die WM investiert: Rund zwölf Milliarden Euro soll das Turnier Berichten zufolge kosten, so viel wie keine Fußball-Weltmeisterschaft zuvor. Von den zwölf WM-Stadien sind die meisten Neubauten, fast hundert Trainingsplätze wurden angelegt, Hotels und Straßen gebaut. Aber der ökonomische Nutzen ist überschaubar.

Nach Angaben der Organisatoren steigerte die Vorbereitung zwischen 2013 bis 2018 die Wirtschaftsleistung (BIP) um 867 Milliarden Rubel (rund 12 Mrd. Euro). Das entspricht einem Prozent des BIP. WM-Cheforganisator Dworkowitsch betonte, ein finanzielles Fazit könne man erst in einigen Monaten ziehen. Vor allem steht noch die Frage im Raum, wie die Stadien künftig genutzt werden sollen. Die Behörden schätzen die Betriebskosten auf bis zu sechs Milliarden Rubel im Jahr.

SBORNAJA: Der Durchmarsch des WM-Gastgebers bis ins Viertelfinale war der größte Erfolg der Sbornaja seit Jahrzehnten. Und er kam völlig unerwartet. Nach der Pleite als Gruppenletzter bei der EM 2016 in Frankreich war viel gemäkelt worden an den Schwächen des russischen Teams. Doch mit 5:0 gegen Saudi-Arabien, 3:1 gegen Ägypten und vor allem mit dem 4:3-Elfmeter-Erfolg über Spanien im WM-Achtelfinale gewann die Sbornaja die Herzen der Fans. „Die Champions unserer Herzen“, schrieb die Zeitung „Sport-Express“ nach dem Ausscheiden. Ein russischer Fan sagte: „Wir müssen uns für nichts schämen, niemand hat damit gerechnet, dass wir so weit kommen würden.“

NUTZEN FÜR DEN FUSSBALL: Präsident Putin hofft nun, dass die WM im eigenen Land den Fußball beliebter macht. Zwar gehört Fußball schon zu den populärsten Sportarten, aber die Herzen vieler schlagen eher für Eishockey. Kürzlich sagte Putin, die WM sei generell für die Entwicklung des Sports wichtig. Das Organisationskomitee sieht schon ein gesteigertes Interesse am Fußball. „Ein zusätzlicher Schub ist (durch den Erfolg der Sbornaja) zu erwarten“, sagte Komitee-Chef Alexej Sorokin. Gleichzeitig rechnen Experten kaum damit, dass das Turnier einen Ansturm bei Fußball-Vereinen auslösen wird.