Mit dem Geist von Luschniki WM-Gastgeber Russland glaubt weiter an die Sbornaja
Samara (dpa) - Kurz schütteln, dann geht's weiter! WM-Gastgeber Russland will sich seine positive Stimmung auch vom ersten richtigen Dämpfer gegen Uruguay nicht nehmen lassen.
Zwar zeigte sich die Nation des Ausrichters nach dem chancenlosen Auftritt ihrer Sbornaja am Montag in Samara ein wenig ernüchtert, doch die Mannschaft von Trainer Stanislaw Tschertschessow kann sich weiter der Unterstützung ihrer Landsleute gewiss sein. „Selbst diese Niederlage ändert nichts an der Tatsache, dass dieses Turnier das erfolgreichste in der postsowjetischen Geschichte ist“, schrieb die Zeitung „Rossijskaja Gaseta“ nach dem 0:3 gegen die Südamerikaner.
Schließlich steht Russland erstmals seit 32 Jahren bei einer WM wieder in der K.o.-Runde, weshalb auch Tschertschessow den Blick demonstrativ auf den Achtelfinal-Knaller gegen Spanien richtete. „Eine solche Ohrfeige zur rechten Zeit kann nützlich sein. Das Spiel war eine gute Vorbereitung für das Achtelfinale“, sagte der Coach.
Der 54-Jährige setzt gegen die klar favorisierten Spanier am Sonntag vor allem auf den Geist des Luschniki-Stadions von Moskau. An jenem Ort, an dem die Sbornaja zum WM-Auftakt beim 5:0 gegen Saudi-Arabien brillierte und das ganze Land in Euphorie versetzte, will Russland nun die Sensation schaffen. „Ich liebe dieses Stadion“, sagte Tschertschessow mit Blick auf die Arena in der Hauptstadt unweit des eigenen Teamquartiers. Am Sonntag würden die Zuschauer in Moskau ihr Team frenetisch anfeuern. „Luschniki - das ist mein Stadion“, sagte der ehemalige Torwart von Dynamo Dresden voller Pathos.
Doch mischte sich am Tag danach erstmals auch Kritik in den Rückblick russischer Medien auf das Spiel. Tschertschessow habe sich mit der Aufstellung verzockt, hieß es. Schon unmittelbar nach der Partie im 40 Grad heißen Glutofen der Samara-Arena waren Russlands Journalisten etwas auf Distanz zum Coach gegangen. Gab es für ihn nach den beiden fulminanten Auftaktsiegen gegen die Außenseiter Saudi-Arabien und Ägypten noch automatisch Applaus auf der Pressekonferenz, musste der Trainer die Medien dieses Mal erst zum Klatschen animieren.
Stürmer Denis Tscheryschew reagierte jedoch unwirsch auf die ersten Anzeichen von Kritik. „Wenn wir alles beachten würden, was irgendwelche Leute sagen, müssten wir mit dem Fußball aufhören“, sagte der Mittelfeldspieler vom spanischen Erstligisten Villarreal. „Wir ziehen unsere Schlüsse aus den Fehlern und bereiten uns auf einen starken Gegner vor.“ Auch Mittelfeldspieler Alexander Samedow betonte: „Leute - wir sind im Achtelfinale. Niemand von uns lässt den Kopf hängen.“
Doch um gegen den Europameister von 2008 und 2012 und den WM-Sieger von 2010 wirklich eine Chance zu haben, bedarf es einer deutlichen Steigerung. Auch wenn gegen Uruguay nicht die beste Elf spielte. Der Leistungsunterschied zum ersten wirklich ernsthaften Gegner bei dieser WM war doch eklatant. „Wir haben es ihnen heute zu leicht gemacht, uns sind zu viele einfache Fehler unterlaufen“, beklagte daher auch Tschertschessow.
In den kommenden Tagen wird er sein Team nun ganz akribisch auf das Duell mit Spanien vorbereiten. Doch wie schwer es gegen die Iberer wird, zeigt ein Blick in die Historie: „Wieder Spanien!“, titelte die Moskauer Presse am Dienstag in Anspielung auf den bisher letzten großen russischen Erfolg. Vor genau zehn Jahren drang die Sbornaja mit rasantem Stil bei der EM 2008 bis ins Halbfinale vor. Dort war Schluss - mit einem 0:3 gegen Spanien. Dass auch diesmal Feierabend sein könnte: diese Befürchtung ist beim WM-Gastgeber verbreitet.
Doch auch wenn es so kommen sollte, hat Tschertschessow einen Titel schon sicher. Sein kaukasischer Heimatort Alagier teilte am Dienstag mit, dass er seinen berühmten Sohn der Stadt zum Ehrenbürger ernennen werde. „Er hat es verdient. Wir sind stolz auf ihn!“, sagte Verwaltungschef Alexej Gokonajew. Unabhängig von der Niederlage gegen Uruguay und einem möglichen Aus gegen Spanien.