William Carvalho ist Portugals Hoffnung
Campinas (dpa) - Nach dem Debakel gegen Deutschland gibt es nicht mehr viel, was den EM-Halbfinalisten Portugal noch auf eine erfolgreiche Weltmeisterschaft hoffen lässt. Vielleicht Jungstar William Carvalho - einer der begehrtesten Spieler bei dieser WM.
Beim täglichen Training der Portugiesen geht es meist schon von Beginn an ordentlich zur Sache. Wer immer beim beliebten Aufwärmspielchen „Fünf gegen Zwei“ im WM-Quartier in Campinas einen Fehlpass spielt oder den Ball nicht richtig kontrolliert, darf zur Strafe von seinen Mitspielern mit einem Tritt in den Hintern traktiert werden.
Carvalho von Sporting Lissabon ist der mit Abstand Jüngste und Unerfahrenste im Team, aber man sieht ihn bei diesem Ritual fast nur austeilen und nie einstecken. Schon mit 22 Jahren hat er eine bemerkenswerte Abgeklärtheit im Umgang mit dem Ball und auch den Medien. Das macht ihn nach dem 0:4 und vor dem wichtigen Spiel gegen die USA zu einem der letzten Hoffnungsträger seines angeschlagenen Teams. Und das ist längst auch schon den Spähern von Manchester United, dem FC Chelsea, AS Monaco und Real Madrid aufgefallen.
„Noch vor einem Jahr hätte ich mir niemals vorstellen können, hier bei der WM zu sein. Ich lebe gerade meinen Traum“, sagt Carvalho. Noch vor einem Jahr kehrte der defensive Mittelfeldmann als Leihspieler vom belgischen Club Cercle Brügge nach Lissabon zurück. Danach ging alles rasend schnell: im August Stammspieler bei Sporting, im November Länderspiel-Debütant für Portugal, im Januar die ersten Gerüchte über einen Wechsel zu Real. Mittlerweile gilt eher Manchester United als Favorit im Rennen um das mutmaßlich größte, zumindest aber am höchsten gehandelte Talent der Portugiesen seit Cristiano Ronaldo.
Einen ersten großen Schritt Richtung England oder Spanien machte Carvalho im Oktober, als er seinen Agenten wechselte. Mittlerweile vertritt Jorge Mendes seine Interessen - eine Art Pate des portugiesischen Fußballs, der neben Ronaldo auch José Mourinho und Brasiliens Kapitän Thiago Silva unter Vertrag hat. Kaum jemand ist besser vernetzt im Weltfußball als der frühere Betreiber einer Videothek. Er wird schon Mittel und Wege finden, seinen neuen Klienten trotz einer Ausstiegsklausel von 45 Millionen Euro bei einem namhaften Verein unterzubringen.
Carvalho selbst geht mit diesem Thema gelassen um. „Es ist schön, dass große Clubs an mir interessiert sind“, sagte er. „Aber ich bin ein Sporting-Spieler bis 2018. Alles andere sind Spekulationen.“
Ein Sporting-Spieler zu sein, oder besser gesagt aus der Sporting- Jugend zu kommen, ist eine Art Gütesiegel im Weltfußball. Schon Luis Figo und Cristiano Ronaldo wurden in der Nachwuchs-Akademie der „Leões“ (Löwen) ausgebildet. Bis heute ist Sporting der einzige Club, der jemals zwei „Weltfußballer des Jahres“ herausgebracht hat. Das schafften nicht einmal der FC Barcelona oder Ajax Amsterdam.
Die Ausbildung dort ist so gut, dass Carvalho gegen Deutschland nur auf der Bank saß. Denn auch seine beiden Konkurrenten im Mittelfeld, Joao Moutinho von AS Monaco und Miguel Veloso von Dynamo Kiew, sind in Lissabon groß geworden. Trainer Paulo Bento vertraut ihnen, weil sie international erfahren sind - und weil er sie als Jugendcoach von Sporting einst selbst ausgebildet hat.
Doch Carvalho ist geduldig genug, um zu wissen, dass seine Zeit noch kommen wird. Er betrachtet diese WM als Lernprozess und sagt: „Wir haben mit Ronaldo den besten Spieler der Welt im Team. Ich schaue mir jeden Tag viel von ihm ab. Aber eines Tages möchte ich meinen eigenen Weg gehen.“