Beleidigter Boateng bangt: Bleibt wieder nur die Bank?
Maceió (dpa) - Von der Vorfreude auf das pikante Bruderduell mit Jérôme scheint bei Ghanas Kevin-Prince Boateng nicht mehr allzu viel übrig geblieben zu sein.
Missmutig und beleidigt präsentiert sich der stolze Schalker derzeit im Training des vierfachen Afrika-Champions, nachdem Trainer Kwesi Appiah beim ernüchternden WM-Auftakt gegen die USA eine Stunde auf ihn verzichtet hatte. Ob der Mittelfeldantreiber zumindest im richtungsweisenden Gruppenspiel am Samstag in Fortaleza gegen sein Heimatland Deutschland wieder von Beginn an spielen darf, lässt der Coach weiter offen. Die Frage, ob wirklich ausschließlich sportliche Gründe eine Rolle spielen, steht zwangsläufig im Raum.
Mit spitzen Aussagen stellte Boateng zuletzt öffentlich Appiahs Autorität als Chef infrage, auch bei den Trainingseinheiten des angeschlagenen Nationalteams in der brasilianischen Küstenstadt Maceió sieht man dem 27-Jährigen seinen Ärger in etlichen Szenen an. Mit reichlich Verspätung marschierte Boateng etwa am Mittwoch auf den Platz im Estádio Rei Pelé, die spaßigen Aufwärmkicks all seiner Mannschaftskameraden verfolgte der Schalker mit verschränkten Armen aus der Distanz. Erst als Appiah das Startsignal gab und die Profis lautstark zusammenrief, schlenderte Boateng langsam heran. Seine Körpersprache zeugt fast schon von aufgesetzter Lustlosigkeit - so, als wolle er Appiah herausfordern und auch provozieren.
Erhält Boateng gegen die klar favorisierte deutsche Mannschaft wieder allenfalls einen Kurzeinsatz, könnte die WM 2014 für den einstigen Bad Boy auch ganz persönlich zu einem Turnier der Enttäuschungen verkommen. Und das, obwohl er sich seit seiner Rückkehr ins Nationalteam vor einem Dreivierteljahr viel vorgenommen hatte, eine prägende Rolle einnehmen wollte. Als Leader und Führungsspieler hatte ihn auch Coach Appiah stets eingeschätzt. Umso mehr Fragezeichen wirft der Status quo auf, der für Unruhe im ganzen Team sorgt. Sich selber dazu äußern wollte Boateng seit dem US-Spiel nicht mehr.
Dabei geht es gegen Deutschland um alles für die Ghanaer - eine Niederlage könnte schon vor dem abschließenden Duell mit Portugal und Cristiano Ronaldo am 26. Juni das fixe Vorrunden-Aus besiegeln. Inmitten des Boateng-Zwists und nach der Unruhe durch ghanaische Medienspekulationen um einen Spieleraufstand gegen Trainer Appiah forderte Kapitän Asamoah Gyan einen „Zusammenhalt wie nie zuvor“.
„Wir müssen unseren Fokus zurückholen und dürfen die Nerven nicht die Oberhand gewinnen lassen“, warnte der Top-Torschütze. „Ich weiß nicht, was passieren wird. Aber der Fußball sorgt immer wieder für viele Überraschungen“, kommentierte der 28-Jährige und unterstrich seine Wertschätzung für Appiah, Ghanas ersten einheimischen Chefcoach seit langem: „Wir glauben an den Trainer.“ In martialischer Manier beteuerte Gyan: „Wir sind Spieler, die für das Land sterben wollen.“