WM-Beobachter Carlos Dunga: Fan des deutschen Fußballs
Belo Horizonte (dpa) - Carlos Dunga ist ein bisschen fülliger geworden im Gesicht, sein Bürstenhaarschnitt aber erinnert an seine Spielweise und Trainerphilosophie: Kompromisslos, aufrecht und geradlinig.
Die Fußball-WM verfolgt der Kapitän der brasilianischen Weltmeistermannschaft von 1994, frühere Profi des VfB Stuttgart und Ex-Nationaltrainer der Seleção in den Stadien. „Deutschland hat sich im ersten Spiel sehr gut präsentiert und dann war es das Deutschland, das wir kennen: Eine kühl spielende Mannschaft, konstant, die weiß, wie man die Fehler des Gegners ausnutzt und die stets auf Sieg spielt“, sagte der 50-Jährige der Nachrichtenagentur dpa.
Ein Stil, der Dunga immer noch gefällt, wie er betonte. „Man muss effizient spielen.“ Mit einem breiten Lächeln fügte er hinzu: „Es ist unnötig, dass es viel Rauch und wenig Feuer gibt, wie wir hier in Brasilien sagen. Die deutsche Mannschaft ist höchst konkurrenzfähig und effizient.“ Da hatte er allerdings noch nicht den Zittersieg der DFB-Auswahl gegen Algerien gesehen.
Dunga trägt zwar heute eine goldene Halskette und Uhr, Schnörkel und Schnickschnack auf dem Platz waren ihm aber immer zuwider. Der einstige Mittelfeldspieler, den man in seiner Heimat oft „o alemão“ („Den Deutschen“) nannte, führte als verlängerter Arm von Trainer Carlos Alberto Parreira 1994 Brasilien zum WM-Triumph. Seine typische Geste auf dem Platz war, wie er die Ärmel hochkrempelte und seine Mitspieler dirigierte.
Als die Seleção 1990 im WM-Achtelfinale gegen den Erzrivalen Argentinien ausschied, machte ihn dafür halb Brasilien verantwortlich. Am 17. Juli 1994 in Pasadena/USA aber reckte Dunga den Pokal in die Höhe - nach 24 Jahren war Brasilien endlich wieder Weltmeister. Von den Lippen, so hieß es später in seiner Heimat, habe man ihm in diesem Moment einen Gruß an seine ewigen Kritiker ablesen können: „Für euch, ihr Verräter ... Hurensöhne!“ Ohne Dunga als Dompteur der Rasselbande hätte Brasilien kaum triumphiert.
Als Chefcoach der Nationalmannschaft hatte Carlos Caetano Bledorn Verri weniger Glück. Schon vor Südafrika 2010 wurde Dunga in der Heimat ständig kritisiert, weil er nicht das „Jogo bonito“ pflege. Im Viertelfinale kam dann das bittere Aus gegen die Niederlande. Als Brasilien nach dem Spiel in Port Elizabeth im Teamhotel eintraf, da schallten Dunga böse Rufe entgegen: „Burro!“ - „Esel“!
Ob ihn diese Erinnerungen noch heute schmerzen? Dunga verzieht das Gesicht. „Ja, das ist hart. Ich mag lieber nicht daran denken, weil man auch schlecht über den Schiedsrichter sprechen muss. Er hat damals drei entscheidende Situationen gegen uns gepfiffen“, sagte Dunga über Yuichi Nishimura. Im Eröffnungsspiel der Brasilianer jetzt bei der Heim-WM, das ebenfalls der japanische Referee leitete, sei es genau umgekehrt gewesen: „Das gibt mir sehr zu denken.“ Mit großer Freude jedoch sieht Dunga (zuletzt Coach beim SC International in Porto Alegre), dass das Turnier weitgehend reibungslos läuft. „Vorher sagten alle irgendwelche negativen Dinge voraus. Wenn der Ball mal rollt, sind alle Probleme gelöst. Eine WM ist etwas ganz Besonderes, das verstehen die Leute nicht, die nicht im Fußball arbeiten“, erklärte er.
Ob Brasilien die „Hexacampeão“, den sechsten WM-Titel, feiern wird? Dunga mag sich ein Scheitern nicht ausmalen. „Man muss an einen Erfolg glauben. Aber es würde wehtun, wenn Brasilien zum zweiten Mal nach 1950 zu Hause den Titel verlieren würde.“