WM-Party wirkt nach: „Rückenwind mitnehmen“

Berlin (dpa) - Die Party ist aus: Die Helden von Rio sind im Urlaub, das klare Wort des Bundestrainers in Sachen Zukunft fehlt weiter. Die Weltmeister Toni Kroos, Sami Khedira und Matthias Ginter stehen vor dem Wechsel zu anderen Clubs.

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Und für die Chefs des Deutschen Fußball-Bundes und der Nationalmannschaft geht es schon wieder um eine neue reizvolle Aufgabe: Oliver Bierhoff und Co. können die riesige Euphorie nach dem vierten WM-Gewinn in vielen Bereichen nachhaltig nutzen. „Wir wollen den Rückenwind mitnehmen“, betonte der Teammanager, der für die Nationalelf eine rosige Zukunft sieht. „Wir werden in zwei Jahren in Frankreich eine gute EM spielen“, sagte Bierhoff schon jetzt.

Das brasilianische Sommermärchen 2014 hat gezeigt: Der deutsche Fußball ist hervorragend aufgestellt. Das Weltmeisterteam um Kapitän Philipp Lahm birgt das Potenzial, um sogar eine ähnliche Ära wie zuvor Spanien prägen zu können. „Wir haben viele Jungs, die noch Jahre spielen können“, betonte Bierhoff. Bundestrainer Joachim Löw hatte schon in Brasilien auf ein Top-Fundament verwiesen: „Ich glaube, dass wir schon das Potenzial haben, auch die nächsten Jahre in der Weltspitze sein zu können. Mit dieser Mannschaft oder vielleicht auch mit dem einen oder anderen Spieler, der dazu kommt.“

Zunächst einmal fehlt aber noch eine eindeutige Aussage von WM-Baumeister Löw, dass dieser auch wie vertraglich vereinbart als Bundestrainer die kommende Europameisterschaft mit der Endrunde 2016 angeht. Der DFB müsste trotz aller Urlaubsstimmung auf eine zeitnahe Erklärung drängen, um jede Überraschung Richtung neue Saison auszuschließen. Die Verbands-Spitze um Präsident Wolfgang Niersbach sieht keine Anzeichen für einen Löw-Ausstieg. Auch weil es keinerlei Abnutzungserscheinungen zwischen Bundestrainer und Team gebe, wie DFB-Chef Niersbach mehrmals betonte hat.

Die Stars um Bastian Schweinsteiger und Kapitän Lahm verabschiedeten sich nach der großen Titelsause in Berlin erst einmal in ihr Privatleben. „Jetzt geht's mit einem richtig guten Gefühl in den Urlaub“, übermittelte Vizekapitän Schweinsteiger über die sozialen Netzwerke an die Fans. „Nach dem unglaublichen Empfang in Berlin mit den ganzen Feierlichkeiten und der Rückkehr nach München werde ich nun erst einmal Urlaub mit meiner Familie machen“, schrieb Lahm und will „die ganzen WM-Eindrücke nochmals genießen“.

An das erste Spiel gegen die im WM-Finale von Rio de Janeiro knapp unterlegenen Argentinier am 3. September in Düsseldorf denken die Weltmeister noch nicht. „Jetzt haben wir es geschafft, für uns steht erstmal Ruhe an“, erklärte der Münchner Thomas Müller, der seinen Urlaub am Freitag allerdings für ein Benefiz-Golfturnier nochmals kurz unterbrechen will.

Noch beschäftigt mit Fußball sind andere aus dem goldenen Team von Brasilien. Der Wechsel von Kroos zu Real Madrid ist so gut wie perfekt, der Freiburger Matthias Ginter könnte bald als Zugang bei Borussia Dortmund verkündet werden. Und plötzlich scheint auch ein neuer Arbeitgeber für Khedira möglich. Laut der spanischen Sportzeitung „Marca“ sollen sich Real Madrid und der FC Arsenal über einen Wechsel von Khedira nach London geeinigt haben, wo schon die Weltmeister Mesut Özil, Per Mertesacker und Lukas Podolski spielen.

Vor dem schnellen Wiedersehen mit Vizeweltmeister Argentinien möchte der DFB alle Missverständnisse ausräumen, die durch den weltweit diskutierten Gaucho-Tanz der deutschen Brasilien-Wohngemeinschaft vier um Torjäger-Oldie Miroslav Klose entstanden sind. DFB-Präsident Niersbach will an seinen argentinischen Kollegen Julio Grondona einen Brief schreiben und darin „nochmal deutlich machen, dass die Aktion in keinster Weise despektierlich gemeint war“.

Die Idee der Spieler sei spontan aus der Emotion und Freude heraus entstanden, berichtete Niersbach am Mittwoch: „Sie sind alle absolut anständige und faire Sportsleute, die sich über niemanden lustig machen, sondern einfach nur ausgelassen mit den Fans feiern wollten. Es tut uns leid, wenn dies bei einigen falsch und missverständlich rüber gekommen ist.“

Ob gegen die Argentinier und am 7. September zum Auftakt der EM-Qualifikation gegen Schottland für Hansi Flick schon ein neuer Bundestrainer-Assistent auf der Bank sitzen wird, ist noch unklar. „Es würde auch mal ein halbes Jahr ohne einen festen Co-Trainer gehen. Wir haben viele gute Trainer bei den U-Mannschaften“, bemerkte Bierhoff. Frank Wormuth, derzeit verantwortlich für die U 20 und mit den Talenten bei der WM-Vorbereitung in Südtirol schon Sparringspartner des A-Teams, gilt als einer der Kandidaten.

Flick soll als neuer Sportdirektor mit dafür sorgen, dass der WM-Erfolg auf andere Bereiche des Verbandes mit abstrahlt. „Wenn man gesehen hat, was in Deutschland los war, das ganze Land hat zugeguckt. Da müssen wir auch hinterherarbeiten, dass noch ein Schub kommt“, betonte DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock.

Auch finanziell soll sich der vierte WM-Titel des Aushängeschildes Nationalmannschaft für den DFB auszahlen. „Die Sponsoren verbinden mit uns eine gewisse Präsenz bei Turnieren. Wenn wir das durch sportliche Erfolge untermauern, ist das natürlich ein gutes Verkaufsargument“, sagte Bierhoff schon vor der WM der Online-Ausgabe von „Capital“. Laut dem Wirtschaftsmagazin sollen Generalausrüster adidas und Generalsponsor Mercedes-Benz, deren Verträge mit dem DFB bis 2018 laufen, die Hälfte der DFB-Sponsoreneinnahmen von knapp 60 Millionen Euro sichern. „Wir haben Luft nach oben“, sagte Bierhoff.

Für die Sponsoren ist der WM-Triumph einschließlich der neuen Fußball-Euphorie natürlich ein Glücksfall. Mehr als zwei Millionen der aktuellen Deutschland-Trikots wurden beispielsweise verkauft. Ab sofort sind die neuen Shirts mit vier Weltmeister-Sternen im Handel. „In den nächsten Tagen und Wochen werden wir nach und nach weitere Trikots nach Deutschland einfliegen“, versprach adidas-Sprecher Oliver Brüggen den Fans. Der Run ist groß, die WM-Party wirkt nach.