Wunderkind Götze als Golden Boy - Held für die Ewigkeit
Rio de Janeiro (dpa) - Mit ungläubigem Blick küsste Golden Boy Mario Götze den Weltpokal. Einst wurden Helmut Rahn, Gerd Müller oder Andreas Brehme als Titeltorschützen gefeiert - der Torheld beim vierten deutschen WM-Triumph war nun er.
„Das ist ein unglaubliches Gefühl. Das ist unbeschreiblich, gerade für mich, wenn man dann das Tor schießt. Man begreift eigentlich gar nicht, was passiert, dann in der Situation, in der Spielminute, das ist einfach unbeschreiblich“, schilderte der 22-Jährige die magischen Momente im Maracanã, die ihn nun seine ganze Karriere begleiten werden.
„Ich habe zu Mario Götze gesagt, zeige der ganzen Welt, dass du besser bist als Messi und dass du dieses Spiel entscheiden kannst. Du hast alle Möglichkeiten, das zu tun“, wiederholte Bundestrainer Joachim Löw die Champion-Botschaft, mit der Götze nach 88 Minunten im Endspiel auf den Rasen geschickt wurde. „Ich hatte bei ihm einfach ein gutes Gefühl, weil er einfach zu allem fähig ist.“
Ein starker Flankenlauf vom ebenfalls eingewechselten André Schürrle, eine technisch brillante Aktion des noch später gebrachten Götze - und der Ball zappelte nach 113 Minuten im Netz. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck hielt es beim 1:0-Siegtreffer im Endspiel von Rio de Janeiro nicht mehr auf den Ehrensitzen.
„Das Tor war wirklich großartig gemacht“, sagte Löw nach dem fünften deutschen Jokertreffer im Turnier. „Götze ist ein Spieler, der kann alles spielen, der ist ein Wunderkind. Er hat immense Möglichkeiten und überragende technische Fähigkeiten. Er ist so raffiniert. Ich wusste, er kann immer ein Spiel entscheiden, wenn es auf der Kippe steht.“
Kann er, zeigt er aber noch zu selten. Beim FC Bayern und beim Nationalteam. So drohte auch die WM-Endrunde in Südamerika, die für ihn mit einem überraschenden Startelfeinsatz beim 4:0 gegen Portugal und einem Tor beim 2:2 gegen Ghana begonnen hatte, zu einer Enttäuschung zu werden. „Das war ja nicht sein Turnier“, erläuterte auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Bis dann die letztlich glorreiche halbe Stunde beim 1:0 im WM-Endspiel gegen die Argentinier kam. Neben den stürmischen Umarmungen seiner Kollegen gab es dafür nach dem Abpfiff ein Küsschen von Freundin Ann-Kathrin Brömmel.
Die Glücksgeschichte von Götzes Endspiel-Auftritt gleicht ein wenig der des letzten deutschen Titelhelden Oliver Bierhoff, der 1996 bei der EM in England nicht ins Turnier fand und Deutschland dann im Finale gegen Tschechien zum Triumph in Wembley schoss - per Golden Goal. Zwar gibt es diesen spielbeendenden Siegtreffer nicht mehr, aber der Erfolgsschuss Götzes fühlte sich ziemlich ähnlich an. „Mario macht das unglaublich“, lobte Passgeber Schürrle den in der abgelaufenen Saison wiederholt kritisierten Matchwinner.
„Es war natürlich kein einfaches Jahr für mich. Es war kein einfaches Turnier für mich“, räumte auch der 22-jährige Münchner ein. Der für 37 Millionen Euro vor der vergangenen Saison von Borussia Dortmund verpflichtete Götze kam zu seinen Einsätzen, oft aber nur als Teilzeitkraft. So wurde er bei seinen elf Champions-League-Spielen mit dem Rekordmeister fünfmal ein- und fünfmal wieder ausgewechselt. Alles egal nach seinem 35. Länderspiel.
„Ich bin jetzt einfach froh, dass die Mannschaft mit mir zusammen diesen Titel geholt hat. Es ist ein unbeschreiblicher Moment. Ich habe immer weiter trainiert mit der Mannschaft zusammen“, erklärte Götze, der bei seiner Ehrung zum Mann des WM-Endspiels in Trikot und Badeschlappen vor der Weltpresse erschien. „Ich bin einfach nur stolz auf die Mannschaft. Was hier passiert ist in Brasilien, beschreibt ungefähr meine Situation. Für mich großartig.“ Auch nach der Partie sorgte er für einen bewegenden Moment. Immer wieder hielt er im Stadion ein Nationaltrikot seines verletzt fehlenden Kumpels Marco Reus in die Kameras. Reus bedankte sich via Twitter: „Und danke mein Bruder für diese Geste.“
So überraschend all das für Götze kam - Team-Oldie Miroslav Klose hatte den größten Tag der Karriere Götzes vorausgeahnt. „Ich habe zu Mario dreimal gesagt, ich hab es im Urin, dass du es machst - und so war es. Ich habe es irgendwie gespürt“, sagte Klose, der kurz vor Ende der regulären Spielzeit für den Tor-Heroen weichen musste. Rahn 1954, Müller 1974, Brehme 1990 - und nun hat Götze in der deutschen Fußball-Historie für den Titel 2014 seinen festen Platz.