„Gänsehautmoment“: Koch feiert große Titel-Premiere
Berlin (dpa) - Die Siegerehrung war für Europameister Marco Koch ein großer „Gänsehautmoment“. Ergriffen stand der von den Zuschauern im Berliner Velodrom frenetisch gefeierte Brustschwimmer auf der obersten Stufe des Podests.
„Die Atmosphäre hat mich auf den letzten Metern getragen - es war geil“, erklärte der 24-Jährige nach dem Titel über 200 Meter Brust. Gleich nach seinem Erfolg in deutscher Rekordzeit von 2:07,47 Minuten setzte sich der WM-Zweite auf die Leine im Becken („Das ist ganz schön schwer.“) und zeigte seine Muskeln.
Zu was diese in der Lage sind, demonstrierte Koch in den gut zwei Minuten zuvor eindrucksvoll: Der Lohn war das erste deutsche EM-Gold über diese Strecke seit Gerald Mörken 1977. Koch verbesserte seine fünf Jahre alte Bestmarke aus der Ära der Hightech-Anzüge um 86 Hundertstelsekunden. „Es hat so viel Spaß gemacht, so was hatte ich noch nie“, sagte der Darmstädter in der ARD. Seim Heimtrainer Alexander Kreisel jubelte lautstark auf der Tribüne mit. Auch Paul Biedermann, der sich nach Silber am Vortag eine Erholungspause wegen der nahenden Staffeln verordnet hatte, freute sich auf den Zuschauerrängen.
Zweiter wurde drei Zehntelsekunden hinter Koch der Weltjahresbeste Ross Murdoch aus Großbritannien. Der Sieger der Commonwealth Games schlug nach 2:07,77 Minuten an. Rang drei ging an den Litauer Giedrius Titenis. Koch holte die insgesamt vierte Medaille der deutschen Beckenschwimmer und das 16. Edelmetall dieser EM. Zum Europarekord des Olympiasiegers Daniel Gyurta aus Ungarn fehlten Koch nur 0,24 Sekunden. Bei der Nationalhymne lächelte er und genoss eher still diesen großen Moment, der für ihn noch größer als der vor einem Jahr bei der WM in Barcelona war.
Auf „jeden Fall“ zähle der Titel zu Hause mehr, erklärte das Kraftpaket. Sein langersehnter deutscher Rekord war ihm übrigens mehr wert als die Goldmedaille, versicherte Koch.
Hauchdünn um zwei Hundertstelsekunden verpasste Rückenschwimmer dagegen Nicolas Graesser in 25,02 Sekunden über 50 Meter Rücken als Vierter die Bronzemedaille bei der „geilen Veranstaltung“ (Graesser). Sieger wurde der Russe Wladimir Morozow in 24,64 Sekunden.
Ihre nächsten Titel feierte die Ungarin Katinka Hosszu in 2:08,11 Minuten über 200 Meter Lagen und über 100 Meter Rücken in 59,63 Sekunden. Den Rücken-Erfolg musste sie sich allerdings mit der zeitgleichen Dänin Mie Nielsen teilen. Europameisterin über 800 Meter Freistil wurde die Britin Jazmin Carlin in 8:15,54 Minuten. Sarah Köhler belegte in persönlicher Bestzeit von 8:30,94 Minuten Platz sieben. Als Staffelgewinner über 4 x 200 Meter Freistil stiegen die Damen Italiens dank einer überragenden Schlussschwimmerin Federica Pellegrini nach 7:50,53 Minuten aus dem Berliner Becken.
Eine deutsche Staffel hatte Chef-Bundestrainer Henning Lambertz wegen zu schlechter Vorleistungen der Sportlerinnen nicht gemeldet, dafür konnte er stolz auf Koch sein. „Er ist mehrfach im Jahr schnell und holt sich Sicherheit darüber. Wenn du etwas zehnmal machst, und zehnmal geht es gut, bist du dir sehr sicher, dass dieser Weg der richtige ist“, erklärte Lambertz. Bei der WM 2013 hatte Koch mit der einzigen deutschen Medaille eine Nullnummer der Beckenschwimmer verhindert.
Koch, der außer bei seinem Heimcoach in diesem Jahr auch zweimal zwei Wochen unter der Regie des ehemaligen Bundestrainers Dirk Lange trainierte, fühlt sich in der EM-Saison gestärkt. Die Ernährung habe er umgestellt, er esse glutenfrei, versuche viele vegane Produkte zu sich zu nehmen. „Ich kann härter trainieren, regeneriere schneller, habe seit letztem Jahr fünf Kilo abgenommen und bin trotzdem stärker geworden“, beschrieb Koch. „Das müsste eigentlich ein Zeichen dafür sein, dass ich schneller schwimmen kann als letztes Jahr.“ Der EM-Sieg stellte es unter Beweis.
Die deutschen Europameister über 200 Meter Brust: