Kaymer: Der Golfstar geht fremd
Wentworth (dpa) - Für gewöhnlich steht er im Rampenlicht, doch diesmal ist Martin Kaymer nur einer von vielen. Der Golfstar nutzt 0seinen Start beim Turnier in Wentworth außerhalb von London zu einem Ausflug zum Champions-League-Finale zwischen Bayern München und Borussia Dortmund.
Und obwohl Golf als Gentleman-Sport gilt, die Fairness über allem steht, ist der Düsseldorfer beim deutschen Giganten-Duell keinesfalls neutral. „Ich drücke schon Bayern die Daumen, weil ich von denen ein, zwei Spieler ganz gut kenne“, sagte der 28-Jährige der Nachrichtenagentur dpa. Mit Mario Gomez hatte er im Vorjahr einen Werbespot gedreht, mit Bastian Schweinsteiger war der leidenschaftliche Fan des 1. FC Köln in München zum Basketball und einige Male essen.
„Von den Dortmundern hingegen kenne ich keinen persönlich, den ich unterstützen kann, daher bin ich für die Bayern“, betont Kaymer. Während Hunderttausende Fans in Deutschland keine Karten für das Finale bekamen, erhielt Kaymer mit Hilfe eines Sponsors zwei der begehrten Tickets. Er tippt auf einen 2:0-Sieg der Münchner, hält die Dortmunder jedoch für gefährlich. „Die sind sehr ehrgeizig, fast wie ein kleiner Terrier, der nie loslässt.“
Für Kaymer sind die Tage von Wentworth nicht nur wegen des Wembley-Endspiels etwas Besonderes. Zum einen hat er hier seine Teamkollegen des erfolgreichen europäischen Ryder-Cup-Teams wiedergetroffen, das dank seines Putts Ende September das prestigeträchtige Duell gegen die USA im Medinah Country-Club, etwas außerhalb von Chicago, mit 14,5:13,5 gewann.
Zum anderen verspürt Kaymer nach vier Monaten Amerika endlich so etwas wie Heimatnähe. Nun ist Wentworth zwar noch nicht Düsseldorf, wo er in den kommenden zwei Wochen sein wird, „aber auf jeden Fall schon mal Europa“, sagt Kaymer hörbar erleichtert.
Im Herbst hatte sich der Rheinländer entschieden, auf die amerikanische PGA-Tour zu wechseln. Durch seinen Sieg bei der PGA-Championship 2010 hat Kaymer das Recht erworben, fünf Jahre lang auf der besten Tour der Welt mitzuspielen.
Seit Februar trat er bei zehn Turnieren an. Ein fünfter Platz vergangene Woche in Texas, zudem Rang neun bei der Lochspiel-Weltmeisterschaft waren die besten Resultate. Ansonsten landete Kaymer oft abgeschlagen, verpasste dreimal sogar den Cut. Mal stimmten die Abschläge nicht, oft fehlte aber vor allem beim Putten die Genauigkeit. Kaymer weiß dies, holt tief Luft und meint offen: „Es ist einfach zur Zeit sehr frustrierend und sehr träge. Aber da muss ich durch. Ich habe halt ein Tief, das sehr lange anhält.“
Zur sportlichen Krise des ehemaligen Branchenprimus kam inmitten von traumhaften Golfplätzen und edlen Clubhäusern eine überraschende Erkenntnis. „Womit ich einfach Schwierigkeiten habe, ist, die ganze Zeit nur in Amerika zu sein, ohne deutsch zu sprechen oder mal deutsches oder europäischen Essen zu haben“, sagt Kaymer. Das Wort Heimweh nimmt er zwar nicht in den Mund, doch Mimik und Gestik lassen erahnen, wie sehr ihm good old Germany gefehlt hat.
Im Januar war er zuletzt daheim. Als Deutschland anschließend unter dem längsten und kältesten Winter seit Jahrzehnten bibberte, trainierte Kaymer bei optimalen Bedingungen und frühlingshaften Temperaturen in Scottsdale/Arizona, wo er seinen US-Wohnsitz hat.
Im Vorfeld des Masters kam Trainer Günter Kessler für eine Woche vorbei, in Augusta hatte er Bruder Philipp an seiner Seite. Ansonsten war Kaymer zwischen Florida und Arizona oft allein - und mit den Gedanken tausende Kilometer weiter östlich. „Ich vermisse einfach die Kultur, die bei uns in Deutschland so anders ist als hier. Ich habe schon Schwierigkeiten, mich da anzupassen“, betont er.
Kaymer bezeichnet die PGA-Tour trotzdem als „gute Erfahrung“, die er in seine Planung für die kommende Saison miteinbeziehen wolle. Drei, vier Monate am Stück Amerika werde es dann auf keinen Fall geben, sondern zwischendurch auch mal einen Abstecher in die Heimat, „und wenn's nur für eine Woche ist. Das brauche ich einfach.“