Keinen Mentalcoach - Kaymer will allein aus Krise finden
München (dpa) - Martin Kaymer stößt an seine Grenzen wie nie zuvor in seiner Karriere. Seit Monaten schon sucht Deutschlands bester Golfer verzweifelt nach Auswegen aus seiner Krise. Externe Hilfe oder gar einen Mentalcoach lehnt er kategorisch ab.
Anfang des Jahres war der 28-Jährige den Stars der Branche auf die lukrative US-PGA-Tour gefolgt - dort kommt er aber einfach nicht klar. „Ich bin am meisten frustriert und ungeduldig, ich kann alle Fans verstehen“, sagte Kaymer vor seinem Start bei den 25. BMW Open in München in einem sehr persönlichen Pressegespräch. Neben fehlenden Turniersiegen plagt den ehemaligen Weltranglisten-Ersten vor allem das Heimweh.
„Weihnachten habe ich gedacht, Golf kann nicht alles sein“, erzählte er von einsamen Stunden in seinem Haus in Scottsdale. Kaymer vermisste Gans, Rotkohl und die Familie. Die Offenheit des als zurückhaltend geltenden Golfprofis verblüffte. Kaymer gab seltene Einblicke in sein Seelenleben und seine Heimatverbundenheit: „Ich habe heute die Wäsche mit Persil gewaschen und mich richtig gefreut, als sie duftend aus dem Trockner kam.“
Vier, fünf Monate allein auf der Tour zu sein, falle ihm extrem schwer. Die Kollegen in Amerika seien immer dieselben, die Gespräche nicht so tief wie in Europa. Er beneidet die mit ihm befreundeten Fußballprofis Mario Gomez und Bastian Schweinsteiger. Einfach, weil sie abends in ihrem eigenen Bett schlafen können. „Da bin ich ein bisschen eifersüchtig.“ Der deutsche Ryder-Cup-Gewinner war überraschend mitteilungsbedürftig. Wie ein Tagesthemenmoderator hatte er sich auf seinen Monolog vorbereitet.
2014 will Kaymer seine Schlüsse aus den schmerzlichen Erfahrungen ziehen: Weiter in den USA spielen, aber viel öfter nach Düsseldorf jetten. Bei der Frage, wie er wieder zu Turniersiegen kommen will, wirkte er ein wenig ratlos. Zusammen mit Coach Günter Kessler trainiert er wie ein Besessener, allein die Erfolge bleiben aus. Ende 2011 in Shanghai hatte Kaymer zuletzt auf der Tour gewonnen. Ende 2012 sicherte er sich den Sieg bei einem Einladungsturnier in Südafrika. In der Weltrangliste ist der Rheinländer auf Platz 35 abgerutscht.
Kaymer vertraut seinem kleinen Team aus Bruder, Vater, Manager und Medienberater. Mehr lässt er nicht an sich heran. Einen Mentalcoach lehnt er ab. Nein, auf die Couch wolle er nicht. Der Musterprofi aus Mettmann will alles aus sich selbst heraus schaffen, auch wenn es länger dauert als mit Unterstützung von außen. Eine Pause? „Nein, auf keinen Fall, unmöglich“, sagte Kaymer, der mit rund drei Millionen Euro allein an Werbeeinnahmen pro Jahr bestens verdient. „Ich liebe Golf, es muss funktionieren. Mein Ehrgeiz ist gut, ich will auch nicht Zwanzigster, Dreißigster oder Hundertster der Welt sein, ich will nach oben“. Auch Tiger Woods habe Ups and Downs. Nur dauert die Krise des Rheinländers schon zu lange an.
Kaymer zieht daraus Konsequenzen und lernt, es nicht jedem recht machen zu wollen. Sogar den Unmut des Turniersponsors riskiert er, wenn er sich als dessen Markenbotschafter rarmacht. Geheimtraining zieht er den zahlreichen Show-Events vor, und ohnehin gehe er danach lieber Erdbeeren pflücken, so Kaymer. Wenn er am Sonntag fünf Jahre nach seinem Turniersieg in München noch einmal den Pokal in die Höhe stemmt, hat er Einiges richtig gemacht.