Berechtigte Tiefstapelei

Vor der EM sind die deutschen Hoffnungen bei der Premiere von Trainer Heuberger gering.

Düsseldorf. Wenn doch nur diese Experten nicht wären. Martin Heuberger hat es ja ohne sie schon schwer. Diese Europameisterschaft in Serbien beschäftigt den Nachfolger von Heiner Brand Tag und Nacht. Seit er, der ewige Assistent, in die erste Reihe gerückt ist, sind die Hoffnungen auf die Rückkehr der deutschen Handball-Dominanz nach frustrierenden Jahren noch ein bisschen geringer geworden. Was weniger an Heubergers Existenz als vielmehr an Brands Fehlen liegt. Die Lichtgestalt ist weg. Es ist Heubergers erstes, großes Turnier. Und es könnte sein erstes, großes Fiasko werden.

Der 47-Jährige kämpft dagegen an, auf den ersten Blick keine sonderlich gewinnende Gestalt zu sein. Er will diesem Team neues Selbstvertrauen geben, aber keine neuen Spieler. Ein Umbruch nach der Ära Brand? Fehlanzeige. Bis auf Patrick Wienczek, den Kreisläufer aus Gummersbach mit Zukunft in Kiel, haben alle EM-Akteure schon unter Brand agiert. Und zuletzt dilettiert. Platz zehn bei der EM 2010 in Österreich und der blamable elfte WM-Rang 2011 inklusive der verpassten Qualifikation für ein Olympia-Ausscheidungsturnier waren Tiefpunkte. Noch nie hat ein olympisches Turnier ohne deutsche Mannschaft stattgefunden. Werden die Befürchtungen wahr, könnte London 2012 also ein Premierenort sein.

Vor allem die fehlende Experimentierfreude im Kader, der ein Qualifikationsturnier für Olympia erreichen soll, stört die Kritiker. Sie arbeiten sich am Kader ab, ohne dass der erste Ball geworfen wäre. Weil die Ergebnisse in der Vorbereitung nicht stimmen. Und weil die Akteure keinen Kredit haben.

Einer dieser Experten ist Bob Hanning, Manager der Berliner Füchse. Er, sagte Hanning, habe nichts gegen ein frühes Ausscheiden der Mannschaft. „Je eher wir ausscheiden, desto eher können wir den Umbruch einleiten.“ Es gehört zu den guten Gepflogenheiten im Handball, dass vor großen Turnieren große Spieler aus der Vergangenheit ihr Urteil abgeben. Früher war dann — natürlich — alles besser, manchmal aber treffen sie auch den Punkt: Stefan Kretzschmar, Handball-Punk in Rente, sagte vor Tagen in der FAZ: „Einige haben gar keine Lust, Nationalmannschaft zu spielen. Es belastet sie, sie genießen es nicht. Sie treten nicht mit Freude und Stolz auf, sondern wirken erdrückt.“ Nicht umsonst hätten Spieler wie Hamburgs Johannes Bitter und Kiels Christian Zeitz ihre Karriere im DHB-Team mehr (Zeitz) oder weniger (Bitter) beendet.

Diesem Team fehlt vor allem die Achse. Weltklasse auf der Mittelposition fehlt, Martin Strobel aus Lemgo und Michael Haaß aus Göppingen sollen Regie führen. In fast alle Spitzenteams der Liga agieren hier Ausländer. Und auch am Kreis ist die Führungsstärke eines Christian Schwarzers Geschichte, die Christoph Theuerkauf (Lemgo) schwerlich aufleben lassen kann. Hoffnungsträger sind alte Gesichter: Pascal Hens, Holger Glandorf, Lars Kaufmann. Und Linksaußen Uwe Gensheimer. „Er ist der Beste der Welt“, findet Kretzschmar. „Aber jetzt muss er es auch mal zeigen.“