Die Handballwelt trauert um Erhard Wunderlich
Düsseldorf (dpa) - Die Handballwelt ist zutiefst bestürzt über den Tod eines ihrer ganz Großen: Erhard Wunderlich hat den Kampf gegen sein schweres Krebsleiden verloren. „Sepp“, wie der 2,04 Meter große Rückraumspieler von allen genannt wurde, starb am Donnerstagmorgen in einem Kölner Krankenhaus.
Der gebürtige Augsburger wurde nur 55 Jahre alt und wird in seiner Heimatstadt beigesetzt. An der Eugen-Haas-Halle des VfL Gummersbach, bei dem Wunderlich einen Großteil seiner Karriere verbrachte, stellten Fans am Freitag Kerzen auf, um ihres toten Idols zu gedenken.
„Ich war sehr geschockt, als ich das gehört habe“, sagte sein ehemaliger Mitspieler Heiner Brand. Der frühere Bundestrainer Vlado Stenzel würdigte Wunderlich schlichtweg als „ein Genie. Er war der Beste. Er war der Kompletteste.“ Für den 78-jährigen Stenzel ist es nicht messbar, wer der beste Handballer jemals war. Aber: „Sepp gehörte dazu.“
Der Deutsche Handballbund (DHB) trauere um den Jüngsten der Weltmeister von 1978, schrieb der Verband auf seiner Internetseite. „Das ist ein unheimlicher Verlust“, sagte DHB-Präsident Ulrich Strombach. Wunderlich habe „Genialität und Spielniveau in den deutschen Handball gebracht, die diesem sehr gut getan haben“.
Auch der VfL Gummersbach, mit dem Wunderlich viele nationale und internationale Titel gewann, reagierte erschüttert: „Der VfL Gummersbach und alle Fans trauern um eine große blau-weiße Legende.“ Unvergessen sei der Gewinn des Europapokals der Landesmeister 1983. Wunderlich spielte von 1976 bis 1983 für den VfL.
In Gedenken an Wunderlich sollen die Clubs der höchsten deutschen Spielklasse am kommenden Wochenende beim Anpfiff eine Gedenkminute einlegen und mit Trauerflor spielen. „Das haben wir den Vereinen heute empfohlen“, sagte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann.
Stenzel, Brand und Wunderlichs früherer Mitspieler Kurt Klühspies erinnern sich an einen Handballer, der „im Angriff eines der größten Talente war, das wir je in Deutschland hatten. Er besaß ein unglaubliches Potenzial“, wie Brand sagte. „Er hat gespielt wie ein junger Gott“, meinte Stenzel. Für Klühspies („Ich bin natürlich geschockt über seinen Tod“) waren Wunderlichs Spielkunst und Wurftechnik schlicht „ein Traum“. 1999 wurde der 140-malige Nationalspieler Wunderlich als „Handballer des Jahrhunderts“ in Deutschland geehrt.
Klühspies bezeichnete Wunderlich, der für die gegnerische Abwehr und die Torhüter wegen seiner unheimlichen Wucht bei Sprungwürfen ein Schrecken war, als „Solist in einer Mannschaftssport. Aber er war der begnadetste Handballer, den ich kennengelernt habe.“ Klühspies erinnerte sich spontan an Himbeereis, das Wunderlich so gern aß, und Weizenbier: „Das hat der Sepp, als er in die Nationalmannschaft kam, bei uns eingeführt. Er war halt Bayer.“
„Er war ein bemerkenswerter Mensch mit einem gewissen Maß an Sturheit, die man braucht, um sich durchzusetzen“, meinte Brand über den Jüngsten des WM-Teams von 1978, das sich in Kopenhagen in einem dramatischen Finale mit 20:19 gegen die UdSSR durchsetzte. „Technik, Übersicht, Wurfkraft - er hatte mit die außergewöhnlichsten Fähigkeiten, die ein Handballer haben kann“, sagte der ehemalige Bundestrainer.
Dieses Potenzial machte Wunderlich auch für das Ausland interessant. Nach Stationen beim FC Augsburg und in Gummersbach bot ihm der FC Barcelona einen lukrativen Vierjahresvertrag - entlohnt werden sollte Wunderlich mit 2,5 Millionen Mark. Doch schon 1984 kehrte er zum TSV Milbertshofen in die Bundesliga zurück und beendete 1991 beim VfL Bad Schwartau seine Karriere.
Zu Wunderlichs größten Erfolgen zählten neben dem WM-Sieg im Team mit Torhüter Manfred Hofmann, Rainer Niemeyer, Joachim Deckarm, Horst Spengler, Dieter Waltke, Arno Ehret, Klühspies, Brand, Arnulf Meffle und Manfred Freisler die olympische Silbermedaille 1984, vier Europacupsiege, die Europameisterschaft für Vereinsmannschaften, zwei deutsche Meistertitel und vier deutsche Pokalsiege.