Falsche Fans, echte Stimmung: Spanier jubeln für Katar
Doha (dpa) - Falsche Fans für echte Stimmung: Gastgeber Katar hat sich für die Handball-WM Unterstützung aus dem Land des Weltmeisters geholt. 60 Spanier feuern mit Ausdauer und Leidenschaft bei jedem Spiel das Heim-Team an.
Und am Montagabend hat sich ihr Einsatz in besonderer Weise gelohnt: Katar schlug den WM-Vierten Slowenien mit 31:29 (18:15) und zog dank des dritten Sieges in Serie erstmals ins Achtelfinale ein. Trainer Valero Rivera, der vor zwei Jahren Spanien zum WM-Titel geführt hatte, ist jetzt schon ein Volksheld - zumindest bei seinen eingeflogenen Landsleuten. „Er kann auch mit Katar Gold gewinnen“, sagt Pablo voller Überzeugung.
Der junge Mann ist einer der 60 Spanier, die vom katarischen Handballverband eingeladen wurden, nur um die Multikultitruppe des Gastgebers anzufeuern. Auf seine Wangen hat er sich die Fahne Katars in den Landesfarben weiß und braun geschminkt. Wie Carla, die neben ihm im Block 107 der Lusail Multipurpose Hall steht, und alle anderen Mitstreiter trägt er ein Trikot der katarischen Nationalmannschaft. „Das ist ein Geschenk für alle in der Gruppe“, berichtet Carla.
Die Mitglieder der Fangemeinde kommen aus Valencia, Cuenca, Aranda und Puerto de Sagundo und kannten einander vorher nicht. „Wir haben uns erst hier getroffen“, berichtet Carla. Sie wohnen im Hotel Holiday Villa, in dem ein Zimmer laut deutschen Hotelbuchungsportalen 107 Euro kostet. Das aber braucht die Spanier nicht zu kümmern, denn alle Reisekosten hat der Gastgeber übernommen.
Rund 30 Minuten vor Anpfiff beginnen sich die Ränge zu füllen - letztlich sollen es offiziell 9500 Zuschauer werden. Junge Männer im Schul- und Hochschulalter in weißen Gewändern nehmen die Plätze hinter den Toren ein. Die billigen Blöcke des Oberrangs gegenüber der Loge von Staatsoberhaupt Emir Scheich Tamim bin Hamad Al Thani - der bei dem Sportspektakel allerdings fehlt - werden von Gastarbeitern besetzt, die teilweise kleine katarische Fähnchen dabei haben.
Unterdessen singen, tanzen und musizieren sich die katarischen Spanier auf Betriebstemperatur. Eine kleine Kapelle mit Pauken, Trompeten und Tuba intoniert unter anderem „Rivers of Babylon“ der Popgruppe Boney M. - und immer wieder ertönt der Ruf: „Vamos Katar!“ „Wir sind immer für Katar“, sagt Pablo, das werde sich auch nicht ändern, wenn an diesem Mittwoch das Gruppenspiel gegen Spanien auf dem Programm steht. „Wenn Katar aus dem Turnier raus ist, dann sind wir für Spanien“, versichert Pablo.
Die Fans unter falscher Flagge haben sichtlich Spaß. Sie sind vielleicht die markantesten, aber nicht die einzigen Anhänger, die gratis bei der WM sind. Katar hat auch andere Nationen eingeladen, über den Deutschen Handballbund (DHB) als Mittler sind zum Beispiel auch 18 von 20 möglichen deutschen Fans auf Kosten des Gastgebers dabei. Kurz vor Weihnachten wurde die Einladung an den Freundeskreis des Deutschen Handballs (FDDH) weitergeleitet - quasi für Kurzentschlossene. Die WM-Gastgeber tragen alle Kosten für Flug, Unterkunft, Visum, Tickets und Transfer. Und das so lange, wie die deutsche Mannschaft im Turnier ist.
Das All-Inclusive-Paket hat unter denen, die bereits vorher ihre Reise auf eigene Kosten gebucht hatten, für Verstimmung gesorgt. „In ersten Reaktionen wurde der Ärger gegenüber dem FDDH artikuliert, der jedoch nur als Mittler auftritt und in guter Absicht gehandelt hat“, schrieb FDDH-Vorsitzender Henning Opitz auf Facebook.
Dank der Einladungspolitik der Katarer spielen die Teams nicht vor komplett leeren Rängen. Dennoch ist der Zuschauerzuspruch meist spärlich. Beim deutschen Spiel gegen Russland wurden offiziell 600 Besucher angegeben - was in der 15 300 Zuschauer fassenden Lusail Multipurpose Hall gespenstig wirkte. „Ich bin sicher, dass es besser wird“, sagte DHB-Präsident Bernhard Bauer, „wichtig ist, dass wir begeisterte Zuschauer haben. Und in der Bundesliga werden sicher auch verbilligte Karten abgeben.“