Handball-Meisterschaft: Ein Drama ohne Beispiel

Kiel sichert sich zum 19. Mal den Titel— mit nur zwei Toren Vorsprung vor den Rhein Neckar Löwen.

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Kiel. Kurz vor 1 Uhr am Sonntag Morgen brandete noch einmal tosender Jubel auf: Praktikanten des Ligaverbandes HBL brachten die echte Meisterschale zur Meisterfeier des THW Kiel ins italienische Restaurant „Toni’s“. Damit war das Glück des deutschen Rekordmeisters komplett. Im ebenso packenden wie verrückten Finale der Handball-Bundesliga hatte das Team von Erfolgstrainer Alfred Gislason doch noch den 19. Titel gewonnen — dank der um zwei Treffer besseren Tordifferenz. „Es ist unglaublich, dass wir das geschafft haben. Ich hatte nicht mehr damit gerechnet“, bekannte der Isländer.

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Durch einen 37:23-Kantersieg gegen DHB-Pokalsieger Füchse Berlin überflügelte der Abonnement-Meister am Samstag noch die punktgleichen Rhein-Neckar Löwen, die mit sieben Toren Vorsprung in den Showdown um den Titel gegangen waren. Die Mannheimer gewannen beim VfL Gummersbach aber nur mit 40:35. Am Ende fehlten zwei mickrige Tore. Noch nie war die Titelentscheidung knapper.

Uwe Gensheimer starrte ins Nichts, Kim Ekdahl du Rietz weinte hemmungslos: Im bittersten Moment der Saison brach für die Rhein-Neckar Löwen eine Welt zusammen. „Es tut unheimlich weh. Dass wir mit leeren Händen dastehen, ist einfach schade“, sagte Manager Thorsten Storm.

Einmal mehr ist das Team des scheidenden Trainers Gudmundur Gudmundsson knapp am großen Coup gescheitert. In der Champions League schieden die Löwen gegen den FC Barcelona im Viertelfinale aufgrund der weniger erzielten Auswärtstore aus. Vor vier Jahren verloren sie das DHB-Pokalfinale mit 33:34 nach Verlängerung gegen den HSV Hamburg. In Gummersbach verspielten die Löwen in den letzten fünf Minuten einen Sieben-Tore-Vorsprung und damit den ersehnten Titel. „Uns hat der kühle Kopf gefehlt. Es sah lange so gut aus, aber am Ende haben wir es irgendwie weggeworfen“, sagte Nationalspieler Gensheimer.

Trainer Gudmundsson kritisierte den Modus. „Es ist totaler Schwachsinn, dass in der besten Liga der Welt das Torverhältnis entscheidet“, monierte er. Der Isländer ist dafür, dass bei Punktgleichheit der direkte Vergleich entscheidet. Damit wären die Mannheimer aufgrund der mehr erzielten Auswärtstore Meister geworden. Im Ligaverband HBL aber ist eine Änderung kein Thema. „Der Modus ist gut und gerecht. Ich sehe keine Veranlassung, daran etwas zu ändern“, sagte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann.

Die Füchse Berlin wehren sich unterdessen gegen Vorwürfe, die Meisterschaft mit einer allzu laschen Haltung zugunsten des THW Kiel beeinflusst zu haben. „Wir haben 60 Minuten mit 100 Prozent gekämpft, hatten aber das vierte Spiel in acht Tagen, und Kiel ist natürlich eine Hausnummer“, sagte Füchse-Sportkoordinator Volker Zerbe nach dem Debakel in Kiel. „Die ganze Meisterschaft war spannend wie noch nie, sie hat einen besonderen Wert“, sagte THW-Kapitän Filip Jicha, der vor mehr als 10 000 enthusiastischen Fans in der Halle noch ein Duplikat der Meisterschale entgegengenommen hatte.