Fans und DHB in Sorge Handballern droht bei Heim-WM ein TV-Blackout
Frankfurt/Main (dpa) - Fans und Funktionäre sind aufgeschreckt, die TV-Sender schlagen Alarm: Knapp fünf Monate vor der Handball-WM in Deutschland und Dänemark sorgt die unklare Lage bei der Vergabe der Fernsehrechte für große Unruhe.
Weil die weltweit tätige Rechteagentur MP & Silva offenbar in ernsten finanziellen Schwierigkeiten steckt, droht bei der Endrunde vom 10. bis 27. Januar kommenden Jahres nach 2015 und 2017 erneut ein öffentlich-rechtlicher TV-Blackout.
Für das Erste und Zweite ist klar: „Wir würden gerne die Handball-WM übertragen“, sagte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky der Deutschen Presse-Agentur. Aber: „Wir hatten Gespräche mit der Agentur, die sind vorletzte Woche plötzlich abgebrochen worden“, berichtete der TV-Mann. „Die Situation ist völlig offen. Wir wissen nicht, mit wem wir jetzt reden müssen. Das kann ein Riesen-Wirrwarr werden.“
Der Deutsche Handball-Bund (DHB), der seit etwa drei Wochen von den Problemen bei MP & Silva weiß, ist daher in die Offensive gegangen. Denn eine neue Ausschreibung der Vermarktungsrechte an den Weltmeisterschaften bis 2025, die im Falle einer möglichen Pleite des globalen Unternehmens erfolgen müsste, können die WM-Gastgeber nicht abwarten. „Wir haben den Weltverband IHF gebeten, eine schnelle Lösung für die WM 2019 zu finden“, sagte DHB-Präsident Andreas Michelmann und kündigte an: „Ich werde auch noch einmal persönlich mit IHF-Präsident Hassan Moustafa reden.“
MP & Silva wollte sich auf dpa-Anfrage zu der heiklen Situation nicht äußern. Und auch aus der IHF-Zentrale in Basel gab es bis zum Mittwochmittag keine Reaktion. Der Weltverband kündigte auf Nachfrage aber immerhin eine öffentliche Stellungnahme bis Ende der Woche an. Darauf wartet auch der DHB gespannt, denn bei den Verhandlungen über die TV-Rechte ist er nur Zuschauer. „Man kann nur einen Ball auf das Tor werfen, den man in der Hand hat“, sagte Michelmann.
Die unbefriedigende Situation ist für den Verband umso ärgerlicher, ist er doch von den Auswirkungen unmittelbar betroffen. „Bei der WM-Planung stecken viele Schwierigkeiten im Detail. Dazu braucht man Zeit - und die wird knapp“, sagte DHB-Vorstandschef Mark Schober. So kann der genaue Turnier-Zeitplan, der großen Einfluss auf den Ticketverkauf hat, erst erstellt werden, wenn der TV-Partner feststeht.
Dabei sollte bei der Heim-WM alles besser werden, nachdem die deutschen Fans die vergangenen Weltturniere nur im Pay-TV (2015) beziehungsweise im Internet (2017) verfolgen konnten. Auch bei der Frauen-WM im Vorjahr wurde die Übertragung der deutschen Spiele im Free-TV erst kurz vor Endrundenbeginn gesichert. In allen drei Fällen waren dafür Probleme mit der katarischen Agentur beIN Sports, die auf technischen Einschränkungen bestand, verantwortlich.
Die Rechte bis 2025, die der IHF nach Schätzungen von Branchenkennern eine Garantiesumme von insgesamt 173 Millionen Schweizer Franken einbringen sollen, könnten zur Not kurzfristig gekauft werden. Doch vor allem bei der Produktion ist der Zeitdruck enorm. MP & Silva wollte die Bilder selbst produzieren, dafür müsste es aber längst gültige Verträge mit externen Anbietern geben.
Ein neuerlicher TV-Blackout würde die Sportart im Bemühen, sich als klare Nummer zwei hinter dem Fußball zu etablieren, zurückwerfen. Ex-Nationalspieler Stefan Kretzschmar sprach von „einem absoluten Super-Gau“, sollten die Endrundenspiele der DHB-Auswahl nicht live im Free-TV zu sehen sein. „Die Folgen für den Handball wären nicht absehbar“, warnte er.
Ähnlich sieht es die aktuelle Spielergeneration. „Ich würde es eine Katastrophe finden, wenn die Leute nicht die Möglichkeit hätten, am Fernsehen mitzufiebern“, sagte Rückraumspieler Kai Häfner. „Ich hoffe, dass der Verband und alle Beteiligten das noch hinbekommen. Handball hat immer das Potenzial, die Leute zu begeistern.“
Dierk Schmäschke hofft auf eine Übertragung der Handball-Weltmeisterschaft im Free-TV. „Sollte das nicht passieren, wäre das eine mittelschwere Katastrophe“, sagte der Geschäftsführer des deutschen Meisters SG Flensburg-Handewitt der Deutschen Presse-Agentur. Ex-Nationalspieler Stefan Kretzschmar sprach sogar von „einem absoluten Super-Gau“, sollten die Spiele der DHB-Auswahl bei der Endrunde vom 10. bis 27. Januar in Deutschland und Dänemark nicht live für ein breites Publikum zu sehen sein.
An einen TV-Blackout wie zuletzt bei der WM 2017 in Frankreich will Kretzschmar aber nicht glauben: „Dazu bin ich zu sehr Optimist. Im Handball sind solche Verträge noch im Dezember unterschrieben worden.“ Er gehe davon aus, dass die Verhandlungen so schnell und so erfolgreich wie möglich weitergeführt werden. Sollte es aber keine Bilder im Free-TV geben, „wären die Folgen für den Handball nicht absehbar“, so Kretzschmar.
„Man hat gesehen, was 2007 passiert ist“, hob Schmäschke die Bedeutung einer Übertragung im frei empfangbaren Fernsehen hervor. Den Endspielsieg der deutschen Männer über Polen hatten damals mehr als 16 Millionen Menschen verfolgt.