Heinevetter lobt Jugend - Füchse setzen auf Talente
Hamburg/Berlin (dpa) - Übermütig stülpte Silvio Heinevetter dem Berliner Fernsehmoderator den DHB-Pokal auf den Kopf, während die Teamkollegen der Füchse Berlin im Studio des RBB johlten.
Nach einer turbulenten Heimfahrt im ICE aus Hamburg, die den Bahnangestellten nicht in bester Erinnerung bleiben dürfte, setzten die Hauptstadt-Handballer ihre große Sause nach ihrem ersten Titel fort. Anführer: Der auf dem Feld wohl verrückteste Bundesliga-Torhüter mit dem zotteligen Vollbart.
Manchmal geht er Schiedsrichter oder Gegenspieler fuchsteufelswild wie ein Derwisch an, dann puscht er sich emotional auf und kauft den Kontrahenten mit seinen spektakulären Paraden den Schneid ab. „Er bringt mich auch manchmal zur Verzweiflung. Er ist auf dem Feld maximal verrückt. Das ist auch für mich manchmal ein bisschen viel“, urteilte Füchse-Manager Bob Hanning über den Nationaltorhüter.
Heinevetter erlebte das Finale am Sonntag mit dem 22:21-Erfolg über die SG Flensburg-Handewitt wie im Rausch. „Gefühlt waren das 35 Minuten und keine 60. Deswegen war es nicht so anstrengend“, meinte der Cup-Held. Zum anderen war es für den 29 Jahre alten Schlussmann zusammen mit dem 30:28-Halbfinalerfolg über MT Melsungen ein besonderer Triumph. „Gerade mit der Mannschaft, mit vielen jungen deutschen Spielern, die vielleicht gegen Flensburg nicht ganz so ihren Teil dazu beitragen konnten, aber die dafür im Halbfinale unglaublich stark waren und die uns da den Arsch gerettet haben“, lobte Heinevetter die Talente im Team.
Paul Drux, Fabian Wiede, Jonas Thümmler - im handballerisch zarten Alter von 19 oder 20 Jahren sind die Jugend- und Junioren-Nationalspieler bereits wichtige Stützen im Team von Trainer Dagur Sigurdsson. Konsequent und mit großer Beharrlichkeit setzen der Isländer und sein Manager Hanning auf die Eigengewächse. Dafür haben die Berliner schon Kritik einstecken müssen: Als im Bundesliga-Spiel beim HSV Hamburg zeitweilig die Talente Oliver Milde, Jaron Siewert, Thümmler und Wiede gemeinsam auf dem Parkett standen, beklagte Hamburgs Club-Chef Andreas Rudolph „Unsportlichkeit“.
„Unsere jungen Spieler haben bewiesen, dass sie ihre Daseinsberechtigung haben - auch in dieser Halle“, konterte Hanning nach dem Pokalgewinn in der Hamburger O2 World. Die Füchse Berlin haben sich ganz im Sinne der Forderung des früheren Bundestrainers Heiner Brand auf die Fahnen geschrieben, den deutschen Handball wieder mit jungen, gut ausgebildeten und erfolgshungrigen Spielern zu stärken. „Nicht nur mit Paul Drux und Fabian Wiede setzen die Füchse Berlin ihr Nachwuchskonzept konsequent um. Beide kommen auch in kritischen Momenten ins Spiel, und diese Erfahrungen sind wertvoll für ihre weitere Entwicklung“, sagte Bundestrainer Martin Heuberger.
Der Club ist innerhalb Berlins ins Sportforum Hohenschönhausen in die sogenannte Füchse-Town umgezogen und nutzt die Vorteile des Sportgymnasiums. „Bei uns geht es gar nicht anders, weil wir wirtschaftlich nicht in der gleichen Lage sind wie andere Clubs“, erklärte Hanning, der auch Vizepräsident Leistungssport im Deutschen Handballbund (DHB) ist.
Zum großen Aushängeschild der Zukunft könnte Drux werden. Der gerade 19 Jahre alte Rückraumspieler beeindruckt durch Athletik, Spielverständnis und Wurfpräzision. Bei der Vergabe der Handball-WM 2019 an Dänemark und Deutschland war der gebürtige Gummersbacher als deutscher Botschafter in Katar und wird von Hanning bereits mit dem ehemaligen Welthandballer Nikola Karabatic aus Frankreich verglichen. „Wir müssen unsere Spieler so gut machen, dass sie sich zu deutschen Nationalspielern entwickeln können und dass Paul Drux ein neuer Karabatic wird. Denn genau so ein Typ ist er“, sagte Hanning. Teamleader ist aber noch Heinevetter.