Interview mit Martin Heuberger: „Ich spüre große Euphorie“
Vor Beginn der Handball-EM spart Bundestrainer Martin Heuberger aber nicht mit Kritik.
Düsseldorf. Martin Heuberger wuchs mit sieben Geschwistern auf und lernte früh, sich im Leben zu behaupten. Heuberger ist Diplom-Verwaltungswirt und Trainer aus Leidenschaft. Die zweite Laufbahn erreichte im Juni vergangenen Jahres ihren Höhepunkt, als der 47-Jährige Nachfolger von Bundestrainer Heiner Brand wurde. Die Europameisterschaft (15. bis 29. Januar) ist seine erste Bewährungsprobe.
Herr Heuberger, Sie haben beim Supercup die ersten drei Spiele als Bundestrainer verloren und wurden anschließend hart kritisiert. Wie sind Sie damit umgegangen?
Martin Heuberger: Mein Fokus ist ein anderer, das war er auch schon beim Supercup — für mich zählt nur die EM.
Erstmals wurde kein Ziel ausgegeben, das die Mannschaft bei einem Turnier erreichen soll. Warum nicht?
Heuberger: Welchen Sinn sollte das haben? In Serbien geht es um zwei Tickets für die Olympia-Qualifikationsturniere. Wenn wir Pech haben, sind wir nicht dabei, obwohl wir das Halbfinale erreichen. Wir müssen uns auf die Spiele gegen die Nationen konzentrieren, die ebenfalls nicht für London qualifiziert sind. Wie die Tschechen. Und da erwartet uns im ersten Spiel gleich ein starker Gegner.
Wo liegen die Stärken der deutschen Mannschaft?
Heuberger: Im Teamgeist. Mir hat es sehr gut gefallen, wie die Mannschaft sich im Training präsentiert hat. Alle ziehen mit, sind sehr fokussiert. Für ein derartig anstrengendes Turnier ist es wichtig, einen breiten Kader zu haben. Jeder kann und wird seinen Teil zum Erfolg beitragen.
Welche Konsequenzen könnte es für den deutschen Handball haben, wenn die Nationalmannschaft sich nicht für Olympia qualifiziert?
Heuberger: Unser Anspruch muss sein, an allen großen Turnieren teilzunehmen. Ein Weltuntergang wäre eine verpasste Olympia-Qualifikation aber nicht.
Im Kader steht mit dem Gummersbacher Patrick Wiencek ein neues Gesicht. Was trauen Sie ihm zu?
Heuberger: Christoph Theuerkauf halte ich im Angriff für den derzeit besten deutschen Kreisläufer, Wiencek ist für mich eine Investition in die Zukunft. Er kann einmal eine feste Größe in der Nationalmannschaft werden. Ich will die Spieler früher an die Nationalmannschaft heranführen.
Warum sind Sie Bundestrainer geworden?
Heuberger: Ich habe mich erst mit dem Thema beschäftigt, als ich nach der enttäuschenden WM in Schweden gefragt wurde, ob ich mir diese Aufgabe vorstellen kann. Ich spüre eine große Euphorie, schließlich ist das Handball-Potenzial in unserem Land riesig. Ich weiß aber auch um die Schwere der Aufgabe.
Was ist Ihre Philosophie?
Heuberger: Grundsätzlich deckt sich meine Philosophie mit der von Heiner Brand, der aus meiner Sicht eine Ikone des deutschen Handballs ist. Die 6:0-Abwehr wird unsere erste Deckung bleiben, auch wenn ich Alternativen einstudieren werde.
Sie haben zuletzt als Nachwuchstrainer dafür gesorgt, dass Junioren-Nationalmannschaften Titel in Serie abräumten. Wo sind die kleinen Helden?
Heuberger: Die Klubs in der Bundesliga kaufen lieber einen Mittelklasse-Ausländer ein, bevor sie sich die Mühe machen, mit einem deutschen Talent zu arbeiten. Es liegt aber auch daran, dass den jungen Leuten oftmals die richtige Einstellung zu ihrem Beruf fehlt. Ich würde mir wünschen, dass jeder von ihnen einmal einen Monat lang acht Stunden am Fließband steht, um zu sehen, was Arbeit wirklich bedeutet. Patrick Wiencek kennt diese Welt, das macht den Unterschied.
Wie entspannen Sie sich von den Strapazen des Jobs?
Heuberger: Ich gönne mir Auszeiten auf dem Crosstrainer und im Garten. Da kann ich die Seele baumeln lassen. Joggen kann ich nicht mehr, meine Hüfte ist kaputt. Vom Handball.