Handball Martin Schwalb: „Bundestrainer zu sein, reizt mich“
Martin Schwalb spricht im Interview über die Risse im deutschen Handball-Team und das neue Leben nach seinem Herzinfarkt im Jahr 2014.
Herr Schwalb, das Wichtigste: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?
Martin Schwalb: Soweit ist alles in Ordnung. Ich habe einen kleinen Schock gehabt vor dreieinhalb Jahren und jetzt ein paar Stents im Herzen. Aber da bin ich nicht der einzige auf der Welt.
Es hieß damals, 60 Prozent der Menschen überleben einen vergleichbaren Herzinfarkt nicht, wie er Ihnen am 3. Juli 2014 widerfahren ist. Wie hat sich ihr Leben seitdem verändert?
Schwalb: Man verändert sich automatisch, wobei das Wort verändern nicht reicht. Man verarbeitet solche Sachen und versucht, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Man bekommt in gewisser Weise eine andere Sicht der Dinge.
Wie darf man sich das vorstellen?
Schwalb: Es gibt Dinge, die mich nicht mehr so ärgern wie früher. Und es gibt andere Dinge, auf die ich mich mehr freue und mehr Energie verspüre. Ich versuche, die Balance zu finden, dass das Leben Spaß macht. Das macht man bewusster. Man genießt die Arbeit auch mehr. Bevor man sich aufregt, denkt man: Ach, komm.
So eine Einstellung wünschen sich viele Menschen. Gelingt das erst richtig durch so einen Schicksalsschlag?
Schwalb: Es soll jetzt nicht falsch klingen: Aber dem einen oder anderen würde ich es mal gönnen, dass er so ein Erlebnis hat. Das ist der positive Nebeneffekt, dass man mal runter kommt. Dadurch wird man auch produktiver.
Sie gehen seit jenem verhängnisvollen Tag öfter ins Fitness-Studio und haben auch mit dem Rauchen aufgehört. Bis heute?
Schwalb: Sicher.
Als aktueller Vize-Präsident des Hamburger haben Sie dazu beigetragen, dass der Club nach der Insolvenz vor gut zwei Jahren überlebt hat. Ihre erste Mannschaft führt die Tabelle in der 3. Liga Nord an.
Schwalb:: Wir haben wieder einen sehr gesunden Verein am Start. Wir haben eine tolle Jugend, konnten das Trainingszentrum retten und haben sportliche Ambitionen: Wir können in dieser Saison in die 2. Liga aufsteigen.
Und was sind Ihre Aufgaben?
Schwalb: Ich bin der Hans Dampf in allen Gassen. Nein. Ich bin dabei, Partner zu gewinnen. Ich bin der sportliche Chef, lasse das aber nicht raushängen.
Kann es passieren, dass Sie noch einmal als Trainer arbeiten?
Schwalb: Ich habe eine abgeschlossene Berufsausbildung. Deshalb werde ich nicht sagen, das mache ich nicht mehr.
Vielleicht noch einmal beim HSV?
Schwalb: Nein, dort sicher nicht mehr. Dort habe ich eine andere Aufgabe.
Würde Sie das Amt des Bundestrainer reizen?
Schwalb: Das hat mich immer gereizt und wird mich immer reizen. Ich war jahrelang in der Bundesliga und Champions League Trainer und auch ganz erfolgreich.
Was halten Sie von der Entscheidung des Deutschen Handballbundes (DHB), trotz der enttäuschenden EM an Bundestrainer Christian Prokop festzuhalten? Es soll größere Spannungen zwischen ihm und der Nationalmannschaft geben.
Svhwalb: Das hat jetzt nichts damit zu tun, dass ich irgendwann einmal Nationaltrainer werden möchte: Wir haben kein gutes Bild abgegeben bei der EM. Es gab ganz große Risse in der Mannschaft, die jeder gesehen hat. Im normalen handelsüblichen Geschäft heißt das: Der Trainer passt nicht zur Mannschaft oder umgekehrt. Das heißt nicht, dass Christian Prokop ein schlechter Trainer ist. Auch ein Pep Guardiola passt nicht überall hin. Die Zeit wird es zeigen.
Haben Sie Rückmeldungen von Nationalspielern nach der EM erreicht?
Schwalb: Viele Spieler haben gesagt, es gab Misstöne.
Glauben Sie, der DHB geht mit Prokop in die Heim-WM im Januar 2019?
Schwalb: Das müssen sie ja jetzt eigentlich. Aber eine Gemeinschaft muss stimmig sein. Vielleicht schaffen sie es, das noch hinzubekommen.
Warum passt es mit Prokop bisher nicht?
Schwalb: Er kam mental an seine Grenzen. Das ist ein Lehrberuf. Man ist auch unter so einem Druck als Handball-Trainer, weil man in den letzten fünf Minuten eine Vielzahl an wichtigen Entscheidungen zu treffen hat. Wenn man keine Erfahrung und keine Automatismen hat, trifft man falsche Entscheidungen.
Was sagen sie zu Ihrem langjährigen Verein, der jetzt HSG Wallau/Massenheim heißt? Die Mannschaft ist unten in der Bezirksliga C angekommen.
Schwalb: Das ist tragisch. So etwas ist immer an Personen behaftet. Bodo Ströhman hat in Wallau etwas aufgebaut. Als er sagte, es ist nicht mehr so mein Ding, ist es in sich zusammen gefallen.
In Hamburg spielt Ihre Mannschaft in der 3. Liga oftmals vor beachtlichen 3000 Zuschauern. Was unterscheidet Hamburg von Frankfurt im Handball?
Schwalb: Wir haben damals den Großraum Frankfurt nie erreicht. Wir sind immer an der Peripherie kleben geblieben. Das hier im Norden ist eine ganz andere Geschichte. In Hamburg oder auch in Flensburg hat der Handball eine andere Bedeutung. Am 26. Dezember 2017 hatten wir bei einem Heimspiel 9964 Zuschauer - gegen den VfL Fredenbeck.