Meister THW Kiel von der Rolle - „Wird Monate dauern“

Kiel (dpa) - Vielleicht sollte sich Handball-Bundesligist HBW Balingen-Weilstetten am FC St. Pauli ein Beispiel nehmen. Als die Hamburger Fußballer im Februar 2002 den übermächtigen FC Bayern München besiegten, wurde flugs ein T-Shirt bedruckt: „Weltpokalsiegerbesieger“ prangte auf dem Leibchen.

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Noch heute, also zwölf Jahre danach, werden die Shirts verkauft. Es sollen schon über 120 000 Stück sein. Vielleicht würden freche Oberteile vom HBW Balingen-Weilstetten, der den übermächtigen THW Kiel sensationell mit 22:21 bezwang, ein ähnlicher Verkaufsschlager für den Underdog.

So freudig das Ereignis für die Gastgeber, so quälend und beschämend die Pleite für den THW. Es läuft nicht beim Serienmeister. Die als haushoher Favorit in die Saison gestarteten Norddeutschen haben zwei der ersten vier Saisonspiele verloren. Nur hauchdünn sind sie um die dritte Schmach herumgekommen, als sie vor wenigen Tagen beim HSV mit 20:19 gewannen. Ungewohntes Bild: Der THW ist mit 4:4 Punkten Zehnter. So schlecht ging es letztmals vor zwölf Jahren los. Damals stand der THW nach sieben Spielen gar nur mit 2:12 Punkten da und wurde am Ende Sechster.

„Wie verlieren, weil wir sehr schlecht werfen“, stöhnte Trainer Alfred Gislason. „Im Angriff haben wir seit Saisonbeginn eine extrem schlechte Quote.“ Früher waren die Kieler wahre Scharfschützen. Im vergangenen Jahr hatten sie nach vier Spieltagen 137 Tore auf dem Konto, jetzt 92. Das sind elf pro Partie weniger. Ein unerklärlicher Abfall. „Wir müssen im Rückraum zwei neue Spieler einbauen. Die müssen erst integriert werden“, erklärte Linksaußen Dominik Klein. Gemeint sind Domagoj Duvnjak und Joan Canellas, die beide vom HSV kamen. Doch das allein kann nicht die Erklärung sein.

„Wir haben gerade nicht das Selbstvertrauen“, meinte Klein. „Das kommt mit den Siegen.“ Das umformierte Team, dass in Gudjon Valur Sigurdsson und Wael Jallouz (beide FC Barcelona) sowie Christian Zeitz (MKB Veszprem) drei Abgänge zu beklagen hat, wird wegen seiner Neuverpflichtungen stärker als im Vorjahr eingeschätzt. „Die Spieler, die sie bekommen haben, machen sie besser“, versicherte der Balinger Christoph Teuerkauf und mutmaßt, dass sich der 19-fache Meister wohl zu sehr auf seine individuelle Klasse verlasse.

Auch Gislason ist verunsichert. Ihm schwant eine längere Durststrecke. „Das wird Monate dauern“, seufzte der Isländer. „Ich habe die große Hoffnung, dass um die Weihnachtszeit der eine oder andere anfängt, vernünftig zu spielen.“ Die Konkurrenten sind hellhörig geworden. Neunmal in den vergangenen zehn Jahren ging die Meisterschale an den THW. Vielleicht gibt es diesmal Abwechslung.