Wie geht es weiter? Sigurdsson bestätigt Angebot, Japan weiß nichts
Berlin (dpa) - Japans Handball-Verband weiß offiziell von nichts. Von einer möglichen Verpflichtung Dagur Sigurdssons als Trainer des Nationalteams habe man nichts gehört, sagte Exekutivdirektor Yuji Harano der Deutschen Presse-Agentur.
„Dazu haben wir keine Informationen.“ Das überrascht, da Sigurdsson selbst bei der Vorstellung seiner Autobiografie in Berlin vom Interesse der Japaner geredet hatte. „Ich habe den DHB informiert, dass ich ein Angebot habe, und die wissen jetzt Bescheid“, sagte der Isländer. Die kommenden zwei, drei Wochen werde er nun nutzen, um Klarheit zu schaffen.
DHB-Vizepräsident Bob Hanning rechnet nicht mehr mit einem langfristigen Verbleib. Zwar sei alles noch offen und sein Herz sage ihm, dass Dagur bleiben solle, sagte Hanning dem TV-Sender Sport1. „Mein Bauchgefühl sagt mir allerdings, dass er schon sehr, sehr weit ist mit der Situation der Lebensqualitätsveränderung.“ Der Isländer mache sich derzeit ernsthafte Gedanken über eine Veränderung seiner Lebensplanung. „Sprich Wohnortwechsel, sprich mehr mit der Familie machen oder einen ganz anderen Weg einzuschlagen, ohne Handball“, sagte Hanning.
Am Vorabend zeigte sich Sigurdsson bei der Präsentation seines Buches alles andere als nordisch kühl. Er plauderte offen und witzig über seine Jugend, scherzte über ein Unterhosenfoto von Nationalspieler Steffen Weinhold und wirkte teilweise sogar etwas nervös auf der Bühne im überfüllten Lesesaal. Als ein Besucher wissen wollte, was ihn überhaupt an einem Mittelklasseteam wie Japan reize, wippte Sigurdsson mit den Füßen. Er antwortete: „Ich kann nur allgemein sagen, Japan ist ein schönes Land, und wir haben es sehr, sehr da genossen.“
Von 2000 bis 2003 war der 43-Jährige Spielertrainer bei Wakunaga Hiroshima. Sigurdsson mag das Land und die Mentalität der Japaner. Wenn es um das Thema Lebensplanung gehe, „kann ich nicht gewinnen. Japan ist kein Thema des Geldes“, sagte Hanning, der sich bereits nach möglichen Nachfolgern für Sigurdsson umschaut. Einer könnte der ehemalige Bundesliga-Coach Gudmundur Gudmundsson sein, der Olympiasieger Dänemark im Sommer 2017 überraschend verlassen wird. Er werde seinen auslaufenden Vertrag nicht verlängern, weil er nun „andere Pläne“ habe, sagte Sigurdssons Landsmann. Hanning wollte sich zu Gudmundsson nicht äußern.
Andere Lebenspläne scheint auch Sigurdsson zu haben. Mit Blick auf die Olympischen Spiele 2020 in Tokio suchen die Japaner offenbar einen Coach, der den Weltranglisten-25. kurzfristig zu einem Medaillenkandidaten formen kann. Dass Sigurdsson dafür der ideale Kandidat wäre, zeigt sein Lebenslauf: Rund eineinhalb Jahre nach seinem Dienstantritt als deutscher Nationalcoach hatte er mit der DHB-Auswahl überraschend den EM-Titel geholt.
Doch noch ist Carlos Ortega Trainer des japanischen Nationalteams, der Spanier trainiert gleichzeitig den dänischen Erstligisten KIF Kolding Kopenhagen. Erst im Juni war sein Vertrag als Nationalcoach verlängert worden - bis zur WM im Januar in Frankreich. Nach „Bild“-Informationen wird Sigurdsson den DHB nach der Weltmeisterschaft verlassen.
Im Schlusskapitel von Sigurdssons Autobiografie deutet allerdings zunächst nichts auf einen baldigen Abschied hin: „Als ich Bundestrainer wurde, hieß das große Ziel Gold bei Olympia 2020. Das ist nach wie vor unser Leitgedanke.“ Das Buch sei aber auch eine Reise für ihn gewesen, „auch zu sich selbst. Und wie im Leben gelangt man dabei an Weggabelungen, wo man entscheiden muss: In welche Richtung marschiert man weiter?“