Vom Siebenmeter-Punkt sind Auge und Nerven gefragt
Granollers (dpa) - Das Musikstück zur Handball-WM von der Band Chloe trägt einen bezeichnenden Titel: „Siete Metros“ - Siebenmeter. Es ist wie im Western: Ein Duell Mann gegen Mann, Torschütze gegen Torhüter.
Wer überlistet wen?
„Es gibt eine Reihe Spieler, die sich trauen, an den Siebenmeterpunkt zu treten“, sagt Bundestrainer Martin Heuberger.
Für gewöhnlich ist in der deutschen Nationalmannschaft Uwe Gensheimer für die Strafwürfe zuständig. Doch der Linksaußen mit dem Handgelenk wie aus Gummi fehlt bei der WM in Spanien wegen eines Achillessehnenrisses. Für ihn ist Debütant Kevin Schmidt ins Team gerückt und hat auch die Verantwortung für die Siebenmeter mit übernommen. „Ich werfe in der Liga auch die Siebenmeter, fühle mich da sicher. Martin weiß das und hat mich dann auch gleich zur Linie geschickt“, sagt der Wetzlarer.
Nur sieben Meter ist das Tor entfernt. Doch der drei mal zwei Meter große Kasten mit dem Netz dahinter wirkt viel kleiner, weil zumeist höchstens drei Meter vor dem Werfer ein riesenhaft erscheinender Torhüter steht. „Man versucht, den Atem zu beruhigen, bevor man an die Linie tritt, versucht, runterzukommen“, lautet eines der wichtigen Rituale von Kevin Schmidt, „und dann ist es auch immer ein kleines Glücksspiel. Man versucht zu gucken, was der Torhüter für Bewegungen macht. Aber zu 100 Prozent kann man das nie wissen.“
Diese Erfahrung hat der 24-Jährige bei der WM in Spanien gemacht. Bei der 23:25-Niederlage gegen Tunesien verwarf er. Steffen Weinhold danach ebenfalls. Erst Sven-Sören Christophersen war erfolgreich. „Wir haben schon ein paar Leute, die das Ding reinwerfen können. Das Wichtigste ist natürlich, dass die Leute dann auch an den Punkt gehen wollen. Das ist natürlich auch ein Druck. Du kannst nicht einem Spieler sagen, du bist gut, du wirfst jetzt. Das muss von ihm alleine kommen“, erklärt Torhüter Silvio Heinevetter.
Der Schlussmann von den Berliner Füchsen könnte für seine Siebenmeterwerfer ein wertvoller Tippgeber sein. Doch er hat vollstes Vertrauen in Kevin Schmidt und Co. „Ich verstehe immer nicht, warum ich da nicht ran darf“, sagt er mit einem verschmitzten Grinsen und fügt an: „Aber die wissen schon, wo sie hinwerfen sollen.“
Das Siebenmeterwerfen ist keine Frage der Erfahrung. Ein gutes Auge, starke Nerven, Vertrauen in sein Können und ein platzierter Wurf sind gefragt. Kapitän und Team-Senior Oliver Roggisch vermisst diese Kombination an sich selbst. „Ich werfe keine Siebenmeter, weil es für mich und den Torwart zu gefährlich wäre. Wenn ich den einmal über das Tor haue - so zwei Meter - würde mir der Bundestrainer den Kopf abhacken“, meint der 34 Jahre alte Abwehrchef.
Versucht hat er es allerdings, als er noch jünger war und auch im Rückraum spielte. „Ich glaube, da gibt es Spieler mit mehr Talent, die auch kreativer im Wurf und in der Wurfentscheidung sind als ich. Ich glaube, dass meistens die Außen das Talent haben, weil sie einfach variabel im Wurf sind. Die können jeden Dreher, Leger, Heber, also Würfe, die ein Rückraumspieler nicht so oft macht“, sagt Roggisch.