Handball EM Zurück in der Außenseiterrolle
Deutschland geht forsch ins EM-Finale gegen Spanien
Krakau. Die letzte Ungewissheit am Finaleinzug der deutschen Handballer bei der Europameisterschaft in Polen war am frühen Samstagmorgen beseitigt. Norwegen, das am Abend zuvor mit 33:34 nach Verlängerung verloren hatte, zog den angekündigten Protest zurück.
„Dieser Einspruch war unsinnig, deswegen haben wir uns nicht damit beschäftigt“, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning. Die Skandinavier hatten moniert, dass Simon Ernst direkt nach dem Siegtreffer von Kai Häfner sechs Sekunden vor Schluss bereits das Spielfeld betreten hatte. Und zwar mit einem gelben Leibchen. Damit waren zwei deutsche Torhüter auf dem Platz. Fernsehbilder belegen das. Doch die Norweger hätten auch ohne den Blackout von Ernst keinen Ball mehr auf das deutsche Tor gebracht, von daher wäre dem Protest niemals stattgegeben worden. „Ich dachte, das Spiel wäre schon vorbei gewesen. Ich hatte das überhaupt nicht realisiert“, entschuldigte sich Ernst. Der Gummersbacher konnte am Samstag wieder lachen. Direkt nach Schlusspfiff war ihm mulmig zumute. „Simon musste sich schon den einen oder anderen Spruch nachher anhören“, erklärte Kreisläufer Hendrik Pekeler.
Das Missgeschick ist abgehakt. „Wir sind voll auf das Endspiel fokussiert“, betonte Hanning, der freudig registrierte, dass die Qualifikation für die WM 2017 in Frankreich durch den Finaleinzug bereits perfekt ist. Als Europameister wäre Deutschland auch sicher bei den Olympischen Spielen in Rio dabei.
Die deutschen Handballer zogen sich vor dem Duell an diesem Sonntag (17.30 Uhr/ARD) gegen Spanien wieder in die heimelige Außenseiterrolle zurück. Im Halbfinale gegen Norwegen galten sie durchaus als Favorit, da hatten sie urplötzlich etwas zu verlieren. „Norwegen hat ein tolles Turnier gespielt, aber wir wussten, dass wir den leichtesten Gegner hatten“, gab Torwart Andreas Wolff zu. Mit dieser Situation kamen die Schützlinge von Bundestrainer Dagur Sigurdsson, der am Nachmittag einen Anruf von Bundeskanzlerin Angela Merkel erhielt, nicht so gut zurecht. „Wir haben zu viel nachgedacht“, bemängelte der Isländer. Die Leichtigkeit und die Unbekümmertheit fehlten. Einzig die nachnominierten Kai Häfner und Julius Kühn ließen sich nicht beeindrucken und erzielten im zweiten Durchgang und in der Verlängerung wichtige Tore. „Ich kann das nicht glauben. Ich habe mir die ersten fünf Spiele zu Hause auf der Couch angesehen und jetzt stehe ich im EM-Finale“, sagte Kühn, der am Samstag beim letzten Medientreffen dieser EM aber schon wieder erstaunlich fokussiert war — wie seine Mitspieler auch.
„Für uns ist jetzt eine schöne Revanche möglich“, freute sich der Wetzlarer Jannik Kohlbacher auf das Wiedersehen mit den Spaniern, die zum Auftakt dieser EM gegen Deutschland mit 32:29 gewonnen hatten. „Wir können viel aus dieser ersten Partie mitnehmen“, erklärte Hanning. Vor allem, dass sich die DHB-Auswahl nicht noch einmal eine Schwächephase erlauben darf wie im ersten Spiel, als die Iberer, die noch nie Europameister wurden, von 7:9 auf 18:11 davonzogen. „Wir sind der Underdog“, meinte Sigurdsson und ergänzte: „Das liegt uns.“ Er hofft darauf, die spanische Startruppe mit der einen oder anderen taktischen Maßnahmen zu überraschen. „Mein Plan für das Finale steht“, sagte er am Samstag. In der Mannschaftsbesprechung am Nachmittag weihte er auch seinen Spielern mit ein, die aber auch so schon wussten, worauf es ankommt. „Wir dürfen Arpad Sterbik im Tor nicht warmwerfen“, erklärte Kohlbacher. „Wir müssen die spanische Abwehr in Bewegung bringen“, ergänzte Pekeler. „Wir sollten cool bleiben“, meinte Andreas Wolff. Vor dem Wetzlarer Schlussmann hat der Weltmeister von 2013 eine Menge Respekt. „Er wird sicherlich eine starke Partie machen“, sagte der Kieler Joan Canellas und ergänzte: „Wir sind der Favorit, das macht es schwer für uns. Aber wir haben mehr Erfahrung als die Deutschen. Vielleicht ist das unser Vorteil.“
Jannik Kohlbacher baut auch ein wenig auf die Geschichte. 2007 beim WM-Triumph im eigenen Land verlor Deutschland in der Vorrunde gegen Polen und gewann gegen Marcin Lijewski und Co. schließlich im Finale. Als der Kreisläufer der HSG Wetzlar 2012 Junioren-Europameister wurde, setzte sich der DHB-Nachwuchs im Endspiel gegen Schweden durch, gegen die sie in der ersten Turnierphase noch den Kürzeren gezogen hatten. „Verlieren“, so sagte es Kohlbacher vor dem zweiten Aufeinandertreffen gegen Spanien, „kommt nicht in Frage.“