Zwischen Titelkampf und Debüt: Dissinger im Stress
Wetzlar (dpa) - Christian Dissinger ist ein Exot. Statt in der Bundesliga spielt der 21-jährige Handballer in der Schweizer Nationalliga A - und ist gerade dort zum Nationalspieler gereift.
Nach dem Willen von Bundestrainer Martin Heuberger wird der Rückraumspieler von den Kadetten Schaffhausen am Samstag in Wetzlar und am Sonntag in Koblenz gegen seine Wahlheimat erstmals in der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) auflaufen.
„Ich freue mich riesig auf die Spiele, weil es etwas Schönes ist, gerade gegen die Schweiz mein Nationalmannschafts-Debüt feiern zu dürfen“, sagte Dissinger voller Vorfreude. Er ist der einzige Spieler im deutschen Aufgebot, der nicht in der als stärksten Liga der Welt geltenden Bundesliga aktiv ist.
Die Woche vor seiner Länderspiel-Premiere war stressig: Samstag Liga-Spiel, Montag Anreise zum Lehrgang nach Rotenburg/Fulda, am Dienstag ein Benefizspiel mit der Nationalmannschaft, am Mittwoch Liga-Spiel und am Donnerstag wieder Rückreise zum DHB-Team. Doch das Termin-Stakkato nahm der Junioren-Weltmeister von 2011 noch mit jugendlicher Gelassenheit. „Zuerst ist es natürlich eine Ehre für mich, dass man mir die Möglichkeit gibt, in der Nationalmannschaft dabei zu sein. Da nehme ich gerne die Strapazen auf mich“, erklärte er und ergänzte: „Aber dass die Priorität auf dem Club liegt, ist selbstverständlich, und dafür nehme ich auch alles in Kauf, um bei jedem Spiel dabei zu sein und 100 Prozent zu geben. Ich habe Spaß am Spielen, und daher macht es mir ehrlich gesagt nichts aus, dass ich nun so viel reisen musste.“
Mit Hilfe von Dissingers fünf Toren haben die Kadetten, die in der Champions League Gruppengegner der Füchse Berlin waren, am Mittwoch gegen BSV Bern Muri mit 36:29 gewonnen und sind Dritter in der Finalrunde hinter Wacker Thun und Pfadi Winterthur. „Für uns in Schaffhausen geht es darum, uns für die Schlussphase der Meisterschaft in Form zu bringen. Da ist jede Einheit und jedes Spiel wichtig. Wir wollen Meister werden, und dafür wird alles untergeordnet“, bekannte Dissinger.
Martin Heuberger wollte den gebürtigen Ludwigshafener schon längst im A-Team haben. Doch der zum besten Spieler der Junioren-WM 2011 gewählte Dissinger zog sich im Oktober 2011 im Champions-League-Spiel gegen den FC Barcelona einen Kreuzbandriss zu. Elf Monate musste er pausieren, ehe er wieder auflaufen konnte. In dieser Zeit hat er unter anderem im Fitness-Center von Mark Verstegen in Phoenix/Arizona hart für eine bessere Athletik geschuftet. Verstegen hat auch schon die deutsche Fußball-Nationalmannschaft fit gemacht.
Christian Dissinger gilt auf der Königsposition im linken Rückraum als größtes deutsches Talent und wird daher als Hoffnungsträger gehandelt. Die Vorschusslorbeeren aber weist er von sich. Er will sich erst einmal selbst beweisen. „Ich habe eigentlich keine großen Erwartungen und freue mich über jede Minute, die ich vom Bundestrainer bekomme“, sagte der 21-Jährige. Und Martin Heuberger hatte nach dem „Warmlaufen“ im Benefizspiel am Dienstag mit 15 Minuten auf dem Parkett bereits versprochen, dass er „am Wochenende gegen die Schweiz ein paar Einsatzzeiten mehr bekommen“ wird.