Asse zwischen Pflicht und Kür bei Leichtathletik-DM
Bochum-Wattenscheid (dpa) - Start in Bochum, Stopp in Helsinki, Landung in London: Bei der Leistungsschau im Lohrheidestadion wollen sich die deutschen Leichtathleten für einen heißen Sommer warmlaufen und die Fans schon mal in Olympia-Stimmung bringen.
Für die meisten Asse sind die deutschen Meisterschaften am Wochenende in Bochum-Wattenscheid aber eher eine Kür mit Medaillenchance. Schließlich hatten 55 Athleten ihre Norm für die Sommerspiele in London (27. Juli bis 12. August) schon vor den Titelkämpfen erfüllt.
Zu den Europameisterschaften nach Helsinki kann der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) Ende Juni eine der größten Mannschaften schicken. Bisher haben 106 Sportler, 52 Männer und 54 Frauen, die EM-Norm erfüllt; dazu kommen die vier Staffeln. „30 deutsche Athleten waren in der europäischen Saisonbestenliste unter den Top 6, weitere 30 unter den Top 12. So einen Wert hatten wir noch nie“, sagte DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen auf einer Pressekonferenz in Bochum-Wattenscheid.
„Für London rechne ich mit einer Mannschaft von 70 Athleten plus X“, erklärte Kurschilgen. „Die deutsche Mannschaft ist auf einem guten Weg.“ Allerdings ohne Weitspringer Christian Reif. Wegen Achillessehnen-Problemen muss der Europameister vom ABC Ludwigshafen sowohl auf die Meisterschaften als auch auf die EM verzichten.
Zehn Tage vor dem EM-Start in Finnlands Metropole (27. Juni bis 1. Juli) hat der DLV auch noch andere Sorgenkinder: Speerwurf- Weltmeister Matthias de Zordo, Hammerwerfer Markus Esser, auch die Hochspringer Ariane Friedrich und Raul Spank jagten der Norm bisher vergeblich hinterher. Dem Saarbrücker de Zordo fehlen 38 Zentimeter (Norm: 82,00 Meter), der Frankfurterin Friedrich drei Zentimeter (1,95), dem Dresdner Spank gar sechs Höhen-Zentimeter (2,31).
Top-Athleten wie Doppel-Weltmeister Robert Harting (Berlin) und Nadine Müller (Halle/Saale) haben ihre Pflicht dagegen getan: Die beiden Diskuswerfer führen mit 70,66 bzw. 68,89 Meter sogar die Jahresweltbestenlisten an.
„Der Trend ist gut, die Stimmung ist gut, die Athleten sind gut drauf. In Bochum geht es aber vor allem um die Titel. Deshalb erwarte ich bei den Meisterschaften viele taktische Rennen“, sagte Idriss Gonschinska, DLV-Cheftrainer für den gesamten Laufbereich (Track), der Nachrichtenagentur dpa.
Vom Aufwärtstrend in dieser Saison ist der Coach nicht überrascht, für Gonschinska sind das aber nur „Zwischenergebnisse“, eine „gute Ausgangsposition“ für EM und Olympia. Zwei Großereignisse innerhalb von fünf Wochen - angesichts des neuen EM-Formats ist das auch für den DLV Neuland und ein schwieriger Spagat.
Doch diesmal läuft's auch bei den Läufern, jahrelang hechelten sie auf den Mittel- und Langstrecken eher hinterher. 13 Männer und Frauen haben sich in Gonschinskas Bereich schon für ein Olympia-Ticket empfohlen. „Ich sehe viele Talente“, betonte der Cheftrainer. Gonschinska will keine(n) hervorheben, lobt vor allem aber 1500-Meter-Läuferin Corinna Harrer (Regensburg) für „ihre Streckenvielfalt wie bei den afrikanischen Läuferinnen“.
Harrer und 800-Meter-Mann Sören Ludolph (Braunschweig) gehören zu den jüngsten Lichtblicken des DLV auf den Mittelstrecken, während „Altmeister“ Arne Gabius (Tübingen) über 5000 Meter seine einzige Chance packte und in Oslo auf Anhieb die Olympia-Norm knackte. Beispiel 1500 Meter Frauen: Jahrelang waren die DLV-Läuferinnen hier um Lichtjahre von der Weltspitze entfernt - in dieser Saison streiten gleich vier um die Fahrkarten nach Helsinki oder London.