Bolt schlägt sich selbst: Keine Tränen nach K.o.

Daegu (dpa) - Usain Bolt hat sich selbst geschlagen. Nachdem der Jamaikaner im 100-Meter-Finale der Leichtathletik-WM zu schnell aus dem Startblock geschossen war, riss er sich das Trikot vom Leib, stand mit nacktem Oberkörper da und schaute wütend gen Himmel.

Der kapitale Patzer in Daegu ließ den Traum des 25-jährigen dreimaligen Olympiasiegers vom Titel-Triple platzen. „Sucht ihr nach Tränen? Ihr werdet sie nicht finden“, sagte der frustrierte Superstar nach der Blamage trotzig. Sein Rivalen hatten nicht viel Zeit für Mitgefühl mit dem gestrauchelten Bolt. „Im ersten Moment tat er mir sehr leid“, sagte Europameister Christoph Lemaitre aus Frankreich. „Aber dann musste ich mich ja schon auf mein Rennen konzentrieren.“

Bolt war bereits in den Katakomben des Stadions verschwunden, als sein 21-jähriger Landsmann und Trainingspartner Yohan Blake die Gunst der Stunde nutzte und in 9,92 Sekunden WM-Gold holte. Zweiter wurde der US-Amerikaner Walter Dix in 10,08 Sekunden vor Kim Collins (St. Kitts und Nevis/10,09). „Ich habe mein ganzes Leben für diesen Moment gearbeitet und kann gar nicht sagen, wie froh ich bin“, freute sich Blake, der als jüngster Sprint-Weltmeister in die WM-Geschichte eingeht. Negativ aufgefallen war er 2009, als er wegen der Einnahme verbotener Stimulanzien für drei Monate gesperrt wurde.

Usain Bolt wird als prominentestes Opfer der seit Januar 2010 gültigen Fehlstartregel in die Annalen eingehen. Danach erhält jeder Läufer sofort die „Rote Karte“, wenn er zu schnell auf den Startschuss reagiert - zuvor wurde erst der zweite Fehlstart in einem Rennen mit einem Ausschluss geahndet. Der neue WM-Dritte Kim Collins hält die Regel für fragwürdig. „Darüber sollte nachgedacht werden. Die Zuschauer kommen nicht wegen Blake oder mir“, sagte er.

Im Vorlauf hatte Bolt am Samstag eine so beeindruckende Kostprobe seines Antriebsvermögens gegeben, dass alles andere als ein Solo zum Titel undenkbar schien: Schon auf den ersten 40 Metern war er pfeilschnell seinen Gegnern uneinholbar enteilt und hatte sogar Hoffnungen geweckt, er könne an seinen Weltrekord von 9,58 Sekunden heranreichen. Etwas geruhsamer ließ es der schnellste Mann der Welt im Halbfinale angehen, durch das er in 10,05 Sekunden fast trabte.

Bis Freitag hat er Zeit, sich von dem Schock zu erholen: Dann stehen die 200-Meter-Vorläufe auf dem WM-Programm. „Die 200 Meter werden jetzt noch spannender, weil sich Usain rehabilitieren will“, meinte Helmut Digel, deutscher Marketingexperte im IAAF-Council. „Nun hat die WM noch mehr Aufmerksamkeit. Unter dem Marketingaspekt ist das gut.“

Zwei, die annähernd mit dem Karibik-Blitz mithalten können, Tyson Gay (USA) und Asafa Powell (Jamaika), mussten verletzt passen. Besonders seinem Landsmann Powell, in dieser Saison mit 9,78 Sekunden vor der WM eine Zehntelsekunde schneller als Bolt, tat die kurzfristige Absage wegen einer Leistenzerrung weh: „Ich hatte eine große Chance ihn zu schlagen.“ Einen guten Riecher hatte der frühere US-Sprinter Maurice Greene, Olympiasieger 2000 und 100-Meter-Weltmeister 1997, 1999 und 2001, der schon vor dem Sprint-Endkampf prophezeit hatte: „Ich denke, es wird eine Überraschung geben.“

Usain Bolt war bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking mit 9,69 Sekunden und ein Jahr später bei der WM in Berlin mit 9,58 Sekunden in eine neue Dimension menschlicher Schnelligkeit vorgestoßen. In Südkorea wollte er wie zwei Jahre zuvor wieder drei Sprint-Titel gewinnen. „Ich habe zweimal bewiesen, dass ich es schaffen kann“, hatte Bolt zuvor selbstbewusst gesagt und versicherte: „Ich bin bereit, die Titelverteidigung ist sehr wichtig für mich, weil ich eine Legende werden will.“