Bolt: Blamage statt Blitzstart - Müller jubelt

Daegu (dpa) - Sprint-Superstar Usain Bolt hat bei der Weltmeisterschaft den größten Fehlstart der Leichtathletik-Geschichte hingelegt. Der Weltrekordler machte vor dem 100-Meter-Showdown in Daegu noch Faxen, dann katapultierte er sich zu früh aus dem Block - und wurde disqualifiziert.

Als sein Landsmann Yohan Blake zu Gold rannte, hämmerte Bolt mit den Fäusten wütend an eine Wand im Stadion: Was für eine Blamage! Das erhoffte erste Edelmetall für das 71-köpfige deutsche Team gewann Diskuswerferin Nadine Müller: Über Silber freute sich die Hallenserin riesig.

Bolt war quasi ins Finale spaziert. Vor dem Startschuss spielte der 25-Jährige noch mit dem Publikum und hampelte vor den Kameras herum. Der 25-Jährige schien in Windeseile auf dem Königsweg zu Dreifach-Gold - wie schon bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking und bei der WM 2009 in Berlin. Doch dann durfte der Topfavorit nicht einmal mitlaufen. Die neue Fehlstartregel, die erst seit 2010 gilt, wurde dem überheblichen Topfavoriten zum Verhängnis. „Sucht ihr nach Tränen? Das wird nicht passieren“, meinte Bolt trotzig.

Blake ging hinter dem Zielstrich nach seinem unverhofften Triumph in 9,92 Sekunden in die Knie und schloss die Augen. Mit 21 Jahren ist Bolts Trainingspartner der jüngste 100-Meter-Weltmeister der Leichtathletik-Historie. „Ich habe so wunderbare Gefühle. Ich habe mein ganzes Leben für diesen Moment gearbeitet. Ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin“, meinte er fassungslos. Silber ging an den Amerikaner Walter Dix (10,08), Bronze an Ex-Weltmeister Kim Collins von der Karibikinsel St. Kitts und Nevis (10,09).

Voll konzentriert war hingegen Nadine Müller im Diskusring. Mit ihrem zweiten Platz hat die 25-Jährige einen kleinen Schritt in die großen Fußstapfen der dreimaligen Weltmeisterin Franka Dietzsch gemacht. Die deutsche Meisterin schleuderte die Scheibe im zweiten Versuch auf 65,97 Meter hinaus und musste sich nur der Chinesin Yanfeng Li (66,52) geschlagen geben.

Mit der schwarz-rot-goldenen Fahne strahlte Müller in die Kameras. Für die 1,93 Meter große Blondine war es die erste internationale Medaille. „Das ist genial, einfach nur genial. Das war bisher der Wettkampf meines Lebens, ich bin super zufrieden. Ich hätte nicht mit einer Medaille gerechnet.“ Bronze holte vor 44 000 Zuschauern die Kubanerin Yarelys Barrios.

Die Sportwelt staunte am zweiten Wettkampftag aber auch über den „Blade Runner“: Oscar Pistorius, erster beinamputierter Sportler bei einer Leichtathletik-WM, sprintete auf seinen Karbonprothesen ins Halbfinale über 400 Meter. „Ich bin kein Pionier, aber ich fühle mich geehrt“, sagte der 24 Jahre alte Südafrikaner nach seiner vielbeachteten Stadionrunde in 45,39 Sekunden. „Es war phänomenal, hier zu laufen“, sagte er in unzählige Mikrofone.

Als „König der Athleten“ krönte sich zum zweiten Mal Trey Hardee. Der amerikanische Titelverteidiger setzte sich im Zehnkampf mit 8607 Punkten gegen seinen amerikanischen Landsmann Ashton Eaton und den Kubaner Leonel Suarez durch. Der deutsche Youngster Jan Felix Knobel legte als Achter mit 8200 Zählern als glänzendes WM-Debüt hin. Sein Frankfurter Teamkollege Pascal Behrenbruch - bei Halbzeit nur 22. - kämpfte sich sogar noch auf Platz sieben (8211) vor.

Während Jamaikas Männer im Sprint ein Wechselbad der Gefühle erlebten, rannten Kenias Läuferinnen allen auf und davon. Die Ausdauer-Spezialistinnen aus dem ostafrikanischen Land feierten am Samstag ein Novum in der WM-Geschichte und räumten alle sechs Medaillen im Marathon und über 10 000 Meter ab. „Ich war glücklich, als ich ins Ziel kam und die anderen hinter mir gesehen habe. Heute war ein großartiger Tag für die Kenianer“, meinte Vivian Cheriuyot, die als Goldmedaillen-Gewinnerin auf der Bahn gleich drei weitere Teamkolleginnen im Schlepptau hatte.

Auf der klassischen 42,195-Kilometer-Distanz konnte Edna Kiplagat bei ihrem Triumphlauf nicht einmal ein Sturz an der letzten Wasserstation aufhalten. Gold, Silber und Bronze an ein Land - das gab es bei WM und Olympia im Marathon bisher weder bei Frauen noch bei Männern.

Kenias großer Rivale Äthiopien erlitt im 10 000-Meter-Rennen der Männer zunächst einen weiteren Rückschlag: Kenenisa Bekele stieg bei seinem Comeback nach 19-monatiger Verletzungspause bei Kilometer 6 aus und verließ mit Leidensmiene das Stadion. Mit seinem fünften Titel in Folge hätte er seinen berühmten Landsmann Haile Gebrselassie übertrumpfen können. Zu Gold lief dann aber überraschend sein Landsmann Ibrahim Jeilan, der in einem packenden Endspurt noch den Briten Mo Farah niederrang.

Richtig gut lief es auch bei den russischen Gehern. Titelverteidiger und Olympiasieger Waleri Borchin hatte am Ende der 20 Kilometer mit 1:19:56 Stunden eine halbe Minute Vorsprung auf Weltrekordler und Ex-Dopingsünder Wladimir Kanajkin (1:20:27). „Ein russischer Spruch sagt: Wenn man nichts riskiert, kann man am Ende keinen Champagner trinken“, sagte Borchin nach zwei Verwarnungen. Die erste Goldmedaille für die USA gewann Brittney Reese: Die Weitspringerin verteidigte mit 6,82 Meter ihren Titel.