Bronze vor der Nieren-OP: Merritts bewegende Geschichte
Peking (dpa) - Am Ende verabschiedete sich Aries Merritt noch von den Journalisten und Ordnern im Stadion. „Ich hoffe, wir sehen uns nächstes Jahr in Rio“, sagte er und lachte.
Der Amerikaner hatte bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Peking gerade die Bronzemedaille über 110 Meter Hürden gewonnen, wird aber bereits in wenigen Tagen in seiner Heimat eine neue Niere bekommen. Der Weltrekordhalter und Olympiasieger hatte in den vergangenen Tagen seine schwere Erkrankung öffentlich gemacht, seine drei Rennen vom Vorlauf bis zum Finale im „Vogelnest“ lief er nach Angaben des Weltverbandes IAAF mit weniger als 20 Prozent seiner Nierenfunktion.
Merritt ist eine der großen und bewegenden Geschichten dieser WM - und zumindest der erste Teil davon ging schon einmal gut aus. „Das bedeutet alles für mich, hier zu sein und diese Medaille gewonnen zu haben“, sagte der 30-Jährige nach seinem dritten Platz in 13,04 Sekunden hinter dem neuen Weltmeister Sergej Schubenkow aus Russland (12,98) und Hansle Parchment aus Jamaika (13,03).
Der im Moment wichtigste Mensch in seinem Leben saß dabei aber nicht auf der Tribüne. Seine Schwester wird ihm eine Niere spenden und flog aus genau diesem Grund nicht mit nach Peking. „Sie wollte die Transplantation nicht gefährden“, erklärte Merritt.
Innerhalb von nur drei Jahren erlebte der frühere Juniorenweltmeister zuletzt Extreme, wie sonst kaum in ein ganzes Menschenleben passen. 2012 lief er in London zunächst zum Olympiasieg, eher er nur wenige Tage später in Brüssel einen noch immer gültigen Weltrekord aufstellte (12,80 Sekunden). Als Favorit zur WM 2013 gereist, merkte er dann in Moskau zum ersten Mal, „dass irgendetwas nicht stimmt“.
Der schnellste Hürdensprinter der Welt ließ sich in den USA in eine Klinik einliefern. Dort wurde dann die schwere Niereninsuffizienz festgestellt, von Oktober 2013 bis April 2014 lag er im Krankenhaus. Ursache für seine Erkrankung ist eine seltene genetische Störung.
Schon im Sommer 2014 gab Merritt sein Comeback. Zur WM in Peking flog er vor allem deshalb, weil er alles andere kaum ertragen hätte. „Ich will nicht in meinem Haus sitzen und auf die Operation warten. Dass ich jetzt hier bin, zeigt mir, dass ich ein Kämpfer bin und dass ich alles überstehen werde, wenn ich positiv bleibe“, sagte er nach den Vorläufen. Laufen ist das, was er am besten kann. Laufen gibt seinem Leben zumindest für eine gewisse Zeit den Anschein von Normalität.
Sein großes Ziel sind jetzt die Olympischen Spiele im kommenden Jahr in Rio de Janeiro. Dort hat Merritt einen Titel zu verteidigen. Vor allem aber würde eine Teilnahme dort bedeuten, dass seine Nierentransplantation erfolgreich war.