De Zordo: WM-Aus nach Achillessehnenriss
Halle/Saale (dpa) - Wenigstens ein bisschen Aufmunterung nahm Matthias de Zordo noch mit ins Krankenhaus.
Als der Weltmeister im Speerwurf auf Krücken und mit dick bandagiertem Fuß zu jenem Auto humpelte, das ihn in die Uni-Klinik nach Magdeburg fuhr, klopften ihm einige Kollegen halb mitleidig, halb Mut machend auf die Schulter. De Zordo hatte sich bei den Werfertagen in Halle an der Saale kurz zuvor die Achillessehne gerissen, er ist so etwas wie der große Pechvogel der deutschen Leichtathletik.
Seinen überraschenden WM-Titel von 2011 wird er bei den Titelkämpfen im August in Moskau nicht verteidigen können. Doch das ist nicht der einzige Aspekt, der diese schwere Verletzung für ihn so bitter macht. Der 25-Jährige hatte gerade erst seine hartnäckigen Ellbogen-Probleme auskuriert, die ihn im vergangenen Jahr schon ein erfolgreiches Abschneiden bei den Olympischen Spielen kosteten. Für das Projekt WM-Titelverteidigung änderte er zudem erst vor wenigen Monaten seinen Wohnort (von Saarbrücken nach Magdeburg), seinen Trainer und seinen Verein. „Das ist eine ganz blöde Sache, richtig bedauerlich“, meinte sein neuer Coach Ralf Wollbrück.
Auch Thomas Kurschilgen, Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, war betroffen. „Ich bin wirklich schockiert“, sagte er. „Es ist bitter, dass er eine Verletzung erlitten hat, für die es vorher überhaupt keine Anzeichen gab. Und es ist bitter, dass es einen Athleten getroffen hat, der nach einer anderen Verletzung gerade erst auf einem guten Weg war.“
Noch per Telefon von Halle aus wurden für de Zordo eine Voruntersuchung am Samstagabend und ein OP-Termin am Sonntag in Magdeburg organisiert. Wollbrück rechnet nun mit mindestens einem halben Jahr Reha. „Aber die lange Pause ist nur das eine, es wird sicherlich auch nicht einfach, die Sache aus dem Kopf zu kriegen“, meinte der Trainer. Denn während andere Athleten wie Kugelstoßer David Storl, Hammerwerferin Betty Heidler oder Speerwerferin Christina Obergföll mit ihren Siegen in Halle und sogar New York unter Beweis stellten, warum sie in drei Monaten in Moskau zu den Favoriten zählen werden, ist die WM-Saison für de Zordo schon vorbei.
Der Weltmeister selbst wollte zu seiner schweren Verletzung zunächst nichts sagen. Unmittelbar nachdem er vom Arzt in Halle die niederschmetternde Diagnose erhalten hatte, brach de Zordo in Tränen aus. „Warum? Warum?“, brachte er nur hervor. Diese Frage konnte niemand seriös beantworten. Während des Anlaufs zu seinem fünften Versuch verspürte de Zordo auf einmal einen Schlag im hinteren Teil des Fußes, er fiel daraufhin sofort zu Boden. Möglicherweise spielten die nasskalten Temperaturen während des Speerwerfens eine Rolle. „Es kann sein, dass sich der Bandapparat bei der Kälte zusammenzieht. Das kommt aber sehr selten vor“, sagte Wollbrück.
Zumindest vorerst ist der beste deutsche Speerwerfer damit genauso abrupt wieder aus der Weltspitze verschwunden, wie er vor drei Jahren auf einmal dorthin emporgestiegen war. 2010 überraschte er bei der EM in Barcelona mit dem Gewinn der Silbermedaille, ein Jahr später wurde er in Daegu sogar Weltmeister. Schon bei den Olympischen Spielen 2012 aber blieb er verletzungsbedingt in der Qualifikation hängen. Sein WM-Aus für Moskau stellte nun sogar eine Reihe deutscher Erfolge an diesem Wochenende in den Schatten.
Speerwurf-Kollegin Christina Obergföll siegte beim Diamond-League-Meeting in New York mit der persönlichen Saisonbestleistung von 65,33 Metern vor Weltmeisterin Maria Abakumowa aus Russland (64,25) und übernahm damit die Führung in der Gesamtwertung jener weltweiten Wettkampf-Serie, die sie bereits 2011 gewann. Bei den Werfertagen in Halle gab es zudem die erwarteten Siege von Hammerwerferin Betty Heidler (74,92 Meter), Speerwerferin Linda Stahl (65,76) und Kugelstoßerin Christina Schwanitz (19,84), die das Duell der beiden deutschen Europameisterinnen mit Nadine Kleinert (18,76) klar gewann.
Einen bemerkenswerten Saisoneinstieg legte auch Kugelstoßer Storl in Halle hin. Dem 22-Jährigen reichte nur ein gültiger Versuch über 20,97 Meter aus, um seinen Wettkampf zu gewinnen und die WM-Norm zu erfüllen. „Ich bin auf einem guten Weg nach Moskau“, sagte Storl. „Dort will ich 22 Meter stoßen und eine Medaille gewinnen.“