Ex-Zehnkampf-Weltrekordler Bendlin wird 70
Berlin (dpa) - Auf die große Party zum runden Geburtstag freut sich Kurt Bendlin schon lange - den Anlass nimmt er nicht so wichtig.
„Jetzt werde ich also auch 70 - um Gottes Willen! Ich habe das gar nicht bemerkt, ich habe so viel zu tun und nie Langeweile“, sagt der ehemalige Zehnkampf-Weltrekordler in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Der Jubilar ist gespannt auf eine „rustikale Party mit ein paar Überraschungsgästen. Ich weiß ja nicht, was meine Martina hinter meinem Rücken noch eingerührt hat.“ Seine Ehefrau schmunzelt. „Wir machen sogar zwei Feiern auf unserem Bauernhof in Paderborn“, verrät Martina Bendlin. An diesem Mittwoch wird ihr „Kuddel“ 70 Jahre alt.
„Ich bin noch gut drauf, weil ich bis heute noch regelmäßig trainiere. Vor allem Ausdauer - ich laufe jeden zweiten Tag“, sagt Bendlin, der 1943 im westpreußischen Thorn geboren wird. In den Kriegswirren flieht die Mutter mit dem zweijährigen Kurt nach Schleswig-Holstein; der Vater stirbt an den Folgen der Kriegsgefangenschaft. Bendlin wächst im schleswig-holsteinischen Malente auf, wo er jeden Stein kennt.
Dort macht sich der immer noch muskulöse Diplomsportlehrer seit Jahren als Fitmacher für müde Manager einen Namen. Auch seine Vater-und-Kind-Kurse in Paderborn kommen bestens an. Bendlin engagiert sich in Paderborn zudem für Schwerst-Alkoholiker. Der Naturbursche hat auch künstlerisches Talent: Mit der Säge bastelt er kleine „Holz-Kunstwerke“.
Am 14. Mai 1967 krönt der Sportstudent das heißeste Wochenende seiner Sportkarriere mit einem irren Zehnkampf-Weltrekord: Im Uni-Stadion von Heidelberg erobert er bei 38 Grad im Schatten 8319 Punkte - die Zuschauer feierten ihren „König der Athleten“ für die Sternstunde seiner bewegten Laufbahn. Dieser heiße Coup, dazu Olympia-Bronze 1968 in Mexiko-Stadt, vier deutsche Meistertitel und die Wahl zum „Sportler des Jahres“ 1967 sind seine größten Erfolge.
Bis heute hat die Bronzeplakette für den Vater von Nicola (32) und Kolja (30) Goldglanz. Rückblende: Gut ein Jahr nach seinem Weltrekord ist Bendlin Top-Favorit; er verletzt sich aber bei der Vorbereitung in Flagstaff/USA und kann sechs Wochen lang kaum trainieren. Von Krämpfen geplagt, katapultiert sich der Deutsche mit einer unglaublichen Energieleistung am zweiten Tag noch aufs Podest. „Das war für mich die größte Leistung, ich habe nie mehr aus mir herausholen können“, meint Bendlin nach fast 45 Jahren.
Dabei kann der rastlose Rentner froh sein, dass er seine liebste Medaille überhaupt noch hat: Denn 1969 wird sie ihm gestohlen. Erst 32 Jahre später, 2001, hält er sie überglücklich wieder in den Händen - überreicht von Heribert Fassbender im Deutschen Sport & Olympia Museum in Köln. „Der kräftige Kerl hatte Tränen in den Augen“, sagte „Mr. Sportschau“. Auch Kumpel Kurt erinnert sich noch bestens: „Als ich die Medaille auf der Bühne von Heribert überreicht bekam, da war ich wie von der Bombe getroffen.“
Die Geschichte klingt ziemlich mysteriös: Ein „merkwürdiger Typ aus Leipzig“, sagt Fassbender, habe ihn angerufen und informiert, dass die Plakette im Besitz einer Dame sei. Und diese schickte sie dann tatsächlich an die Sportreporter-Legende.
Seit 47 Jahren kennt Kurt Bendlin seine Martina, seit 33 Jahren sind die beiden verheiratet. Für das Zehnkampf-Spektakel am 18. und 19. Oktober 1968 im Olympiastadion kauft sie sich sogar eine Karte. Und feuerte ihren Kurt, der am Wurfarm verletzt war, bei der Aufholjagd in 2300 Meter Höhe an. „In der Leichtathletik ist er schon immer der harte Typ gewesen - privat war er dann ein ganz anderer.“
„Für mich ist nur der Moment wichtig. Ich lebe im Hier und Heute und immer so, als ob es der letzte Tag wäre“, verrät der rastlose Rentner seine Lebensphilosophie. Auch mit 70 hat Bendlin noch Power - und viele Träume. „Ich wollte immer noch mal ein zweites Buch schreiben“, sagt er, „bevor ich in der Umnachtung verschwinde.“