Harting voller Zuversicht: EM-Rekord soll fallen
Kienbaum (dpa) - Robert Harting wollte es in diesem Jahr etwas ruhiger angehen lassen. Doch die Prüfungen zum Bachelor für Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und das unverhofft schwierige Unterfangen zur Etablierung einer Deutschen Sportlotterie forderten dem Diskus-Riesen alles ab.
Ein wenig litt darunter auch die Vorbereitung auf die Europameisterschaften in Zürich, doch an seinen Titel-Ambitionen macht der 2,01 Meter große Berliner keine Abstriche.
„2014 ist ein Übergangsjahr auf dem Weg zu Olympia. Da ist der Erfolg nicht ganz so wichtig. Ich hoffe aber trotzdem, dass ich bei der EM Gold gewinne. Und ich hoffe zudem, dass es mein fehlerhaftestes Gold überhaupt wird“, bekannte der zweimalige deutsche „Sportler des Jahres“ im Interview der Nachrichtenagentur dpa während seines Trainingslagers in Kienbaum. Und er fügt auch gleich die Begründung an: „Der Schaden, wenn wir was Falsches gemacht hätten, wäre so gering wie in keinem anderen Jahr. Und danach habe ich genug Zeit, diese Fehler bis zu den Spielen zu korrigieren.“
Unermüdlich stemmt er im größten deutschen Trainingscamp am östlichen Stadtrand Berlins Gewichte und feilt an seiner Wurftechnik. Hartings Ziel für das große Finale am 13. August in Zürich gegen Piotr Malachowski aus Polen und den aufstrebenden Russen Viktor Butenko ist kein geringeres als der EM-Rekord. „Natürlich sind die 70 Meter immer mein Ziel, aber ich denke, in diesem Jahr wird es so weit vielleicht nicht mehr gehen. Aber ich will unbedingt den EM-Rekord knacken.“
Malachowski hatte Harting bei der EM 2010 in Barcelona mit 68,87 Metern zum letzten Mal bei einer internationalen Meisterschaft bezwungen und dabei die EM-Bestmarke fixiert. Auch in dieser Saison brachte ihm der Dauerrivale aus Polen in Halle/Saale die bislang einzige Niederlage bei.
Sollte Hartings lange Siegesserie im Letzigrund halten, wird er höchstwahrscheinlich auch wieder sein Trikot vor Dutzenden Kameras zerreißen, wie es in den vergangenen Jahren bei ihm Usus geworden ist. Er lässt sich das auch nicht von der angedrohten Klage wegen „Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole“ nehmen. „Tatbestand NICHT erfüllt!“, twitterte Harting umgehend aus Kienbaum und bezeichnete die Drohung als „völligen Schwachsinn“.
Als „sehr erfreulich“ bezeichnet Harting dagegen seine gesundheitliche Situation. „Die Knie-Schmerzen sind weg. Wir haben im Training viel Wert darauf gelegt, die dauerhaften Schonhaltungen aus dem Körper zu bringen. Im vergangenen Jahr waren die Schmerzen besonders groß. Ich habe viel in mich reingehört und teilweise selbst heraus gefunden, welchen Muskel ich falsch belastet habe. Es ist das erste Mal seit vier Jahren, dass ich nahezu schmerzfrei zum Saison-Höhepunkt anreise.“
Große Verdienste an den neuen Trainingsformen hat sein einstiger Rivale im Ring, Torsten Schmidt, der seit dem vorigen Herbst sein Coach ist. „Alles habe ich mit ihm abgestimmt. Es war ein richtiger Kassensturz nötig. Man kann so etwas auch über die Psyche erreichen, aber dafür bin ich eher nicht der Typ. Also haben wir das neue, flexiblere Programm mit Blick auf Rio zusammen entwickelt.“ Ins Training wurden alternative Übungen mit Speer oder Hammer aufgenommen, um zu neuen Bewegungsmustern zu gelangen.
Noch immer strebt Harting nach dem idealen Diskuswurf. „Der Wurf meines Lebens ist mir noch nie gelungen“, sagt der 29-Jährige. Fünf Voraussetzungen müssten gegeben sein, damit er in Bereiche des Weltrekords von Jürgen Schult (74,08 Meter) kommen könnte: „5000 bis 8000 Zuschauer wären nötig, bis zu fünf Athleten aus den Top 10 sollten am Start sein. Zudem müsste es der dritte oder vierte Wettkampf der Saison sein, ich müsste in Topform sein und der Wind kräftig blasen“, meinte Harting. „Bisher waren noch nie alle fünf Voraussetzungen gegeben“, fügt er schmunzelnd hinzu.
Auch nach der EM ist Harting noch einmal voll gefordert. „Am 16. September muss ich meine Bachelor-Arbeit abgeben. Das kostet gleich nach dem Wettkampf in Zürich noch mal alle Kraft.“ Alle Voraussetzungen hat er dafür erfüllt. Das Kommunikationsprojekt inklusive Präsentation und Kolloquium im Mai schloss er mit Note 1,7 ab. Trotzdem verblüfft er mit seiner Meinung: „Eine wahre duale Karriere gibt es nicht: Entweder Sport oder Studium, ein Part wird immer den Vorrang haben.“