IAAF in der Krise - WADA holt zum neuen Tiefschlag aus
Düsseldorf (dpa) - In der Welt-Leichtathletik geht es längst nicht mehr um höher, schneller und weiter, sondern um Bestechlichkeit, Erpressung, Korruption, Geldwäsche, Suspendierungen und Sperren.
Die Anklage gegen den früheren IAAF-Präsidenten Lamine Diack und der Bericht der unabhängigen Kommission der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) zum systematischen Sportbetrug in Russland haben den Weltverband IAAF in die größte Krise seit der Gründung 1912 gestürzt.
Am Donnerstag wird die WADA-Kommission in München Teil zwei ihrer Ermittlungen präsentieren - im Fokus dürften die IAAF und der Vorwurf stehen, bei Blutkontrollen nicht effektiv gearbeitet und Verstöße ignoriert zu haben.
Seit der Vorstellung des 323 Seiten langen ersten WADA-Reports am 9. November 2015 durch die kanadischen Sonderermittler Richard Pound und Richard McLaren sowie den Münchner Kriminaldirektor Günter Younger ist viel passiert. Hat sich bisher aber Wesentliches verändert?
Die IAAF hat Russlands Leichtathleten suspendiert, und es droht weiter der Olympia-Ausschluss in Rio de Janeiro. Seitdem versichert die Gesamtrussische Leichtathletik-Föderation, alles zu tun, um in die IAAF-Familie zurückkehren zu können.
„Eine richtige Systemveränderung kann ich nicht sehen“, urteilte der Nürnberger Doping-Experte Fritz Sörgel mit Bezug auf Russland. Auch der deutsche Leichtathletik-Präsident ist skeptisch, ob dies zur Eröffnung der Rio-Spiele am 5. August zu schaffen sein wird. „Es sind verfestigte Strukturen, die nicht so schnell zu lösen sind“, sagte DLV-Chef Clemens Prokop. Außerdem könne man nicht wissen, wie lange „die Vorteile eines solchen Systems“ nachwirkten.
„Wir sind in der Tat ein bisschen stolz darauf, dass wir etwas bewegt haben“, sagte hingegen Younger der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Tatsächlich hat der akribische WADA-Report die Initialzündung für das große Reinemachen in der Leichtathletik gegeben.
Die Ermittlungsergebnisse der Dreier-Kommission dienten der französischen Justiz, um gegen den 82-jährigen früheren IAAF-Chef Diack Anklage zu erheben. Er soll gegen Geld Dopingfälle vertuscht haben. Die WADA suspendierte die russische Anti-Doping-Agentur (RUSADA). Die IAAF verkündete lebenslange Sperren für Diacks Sohn Papa Massata, der einige krumme Geschäfte für seinen Vater abgewickelt haben soll, sowie den früheren IAAF-Schatzmeister Walentin Balachnitschjow aus Russland und den russischen Langstrecken- und Geher-Cheftrainer Alexej Melnikow. Der einstige Anti-Doping-Direktor der IAAF, Gabriel Dollé aus Frankreich, wurde wegen „Mitwisserschaft“ für fünf Jahre gesperrt.
Damit nicht genug: Der ehemalige IAAF-Pressechef und heutige Büroleiter von Präsident Sebastian Coe, Nick Davies, legte im Zuge des Dopingskandals sein Amt provisorisch nieder. Eine E-Mail hatte ihn belastet, vor der WM 2013 in Moskau versucht zu haben, die Ausmaße des Dopingproblems in Russland zu verschleiern.
Der ehemalige britische Weltklasseläufer Coe kam im Zuge des Doping- und Korruptionsskandals nicht nur einmal in Erklärungsnot. Schließlich arbeitete er als IAAF-Vizepräsident viele Jahre eng mit Diack zusammen und bezeichnete seinen Vorgänger als „meinen spirituellen Präsidenten“. Mit einem Zehn-Punkte-Reformplan will er dem Verband wieder Glaubwürdigkeit verschaffen, verpackte darin aber längst Bekanntes - wie die Verdoppelung des Etats für die Doping-Bekämpfung auf acht Millionen Dollar.
Zur PR-Strategie, das ramponierte Image der IAAF aufzupolieren, gehörte auch die Veröffentlichung der Antwort des Weltverbandes auf den WADA-Report am Montag, drei Tage vor dem zweiten Bericht. Es habe „keine systematische Korruption“ und keinen Dopingfall gegeben, der nicht sanktioniert wurde, und es sei nur „eine sehr kleine Anzahl von ehemaligen mit der IAAF assoziierten Personen“ von den Korruptionsvorwürfen betroffen“, heißt es darin. Aufschluss darüber, ob diese von der IAAF intern ermittelten Erkenntnisse stimmen, dürften Pound und Co. am Donnerstag geben.