Kugelstoßerinnen beklagen Außenseiter-Rolle
Oslo (dpa) - Christina Schwanitz musste für einen Moment aufpassen, dass sie nicht überfahren wurde. Als die deutsche Kugelstoßerin nach ihrem Sieg in Oslo mit einem großen Blumenstrauß Richtung Umkleidekabinen ging, kurvte Usain Bolt gerade in einem echten Formel-1-Wagen durchs Bislett Stadion.
Die Leichtathletik ist eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, das wurde selten so deutlich wie bei diesem Diamond-League-Meeting in der norwegischen Hauptstadt. Hier der große Sprintstar, der schon publikumswirksam in Szene gesetzt wird, bevor er sein Rennen überhaupt gelaufen hat. Und am Rande die weniger telegenen Kugelstoßer oder Diskuswerfer, bei denen die Zuschauer manchmal nicht einmal mitbekommen, wenn sie wie Schwanitz mit einer Weltklasse-Leistung von 20,10 Metern gewinnen.
„Das ist ein Armutszeugnis“, schimpfte die zweitplatzierte Nadine Kleinert, weil am Kugelstoßen in Oslo überhaupt nur fünf Athletinnen teilnahmen. Bolt erzählte später launig, dass ihn die Veranstalter vor dem Meeting gefragt hätten, ob er nichtmal mit einem Rennwagen über die Laufbahn brettern wolle („Das war ein großer Spaß“). Bei Kleinerts Managerin ging dagegen nur eine E-Mail ein, in der sinngemäß stand: Auch Kugelstoßen ist bei uns im Programm. Wer kommen will, kann kommen. Wenn nicht, dann eben nicht.
„Die Veranstalter hier müssen laut Diamond-League-Reglement das Kugelstoßen und Diskuswerfen ausrichten, aber sie interessieren sich nicht dafür“, sagte die Europameisterin, die die Außenseiterrolle ihrer Disziplin schon seit Jahren beklagt. Auch Schwanitz meinte bei aller Freude über ihren Sieg: „Das ist nicht schön. So macht das keinen Spaß.“ Der Stadionsprecher hielt das Publikum zwar über die konstant weiten Versuche der Hallen-Europameisterin auf dem Laufenden. Ob hinter ihr aber Kleinert (18,17) oder die Chilenin Natalia Duco (18,00) auf Platz zwei lag, erfuhr in der Arena niemand.
Immerhin: Im Gegensatz zu den Hammerwerfern dürfen die Kugelstoßer überhaupt teilnehmen an der lukrativen Diamond League. Und die Siegprämie von 10 000 Dollar war für Schwanitz genauso hoch wie für Bolt. Mit dem Unterschied natürlich, dass dem Sprintstar aus Jamaika dieser Betrag ziemlich egal sein kann, weil er bei jedem Meeting noch eine Antrittsgage von rund 300 000 Dollar überwiesen bekommt. Für Schwanitz und Kleinert dagegen sind die Diamond-League-Prämien viel und in diesem Fall auch „leicht verdientes Geld“, wie Kleinert mit Blick auf ihren arg ausgedünnten Wettkampf anmerkte. Als Zweitplatzierte strich auch sie noch 6000 Dollar ein.
Und so überwog am Ende für beide Kugelstoßerinnen doch noch das Positive an diesem Abend. Schwanitz liegt im „Diamond Race“ wieder allein an der Spitze und darf nun mehr denn je auf den mit 40 000 Dollar prämierten Gesamtsieg in ihrer Disziplin hoffen. Außerdem wird sie im August mit noch mehr Selbstvertrauen zur WM fliegen, wo sie zu den Medaillenanwärtern zählt. Auch Kleinert machte mit einem Sieg am Dienstag in Moskau und Platz zwei in Oslo das Beste aus einem längeren Trainingsrückstand, den sie zuvor beklagen musste. Erst war sie mehrere Tage krank. Und dann wurde ihre Trainingshalle in Magdeburg auch noch wegen des Hochwassers gesperrt.