Thomas Dreißigacker Lauf-Bundestrainer zu EM: „Die Früchte ernten wir jetzt“

Berlin (dpa) - Der leitende Lauf-Bundestrainer Thomas Dreißigacker gilt als Julian Nagelsmann der Leichtathletik. Wie der junge Fußballcoach von 1899 Hoffenheim sucht der 30-Jährige auf neuen Wegen den Erfolg.

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„Die Früchte ernten wir jetzt“, sagte er im Interview der Deutschen Presse-Agentur zu Beginn der Leichtathletik-EM in Berlin. „Die Chance, erfolgreich zu sein, ist da.“

Die deutschen Läufer sind im Aufwind. Was sind die Gründe?

Dreißigacker: Wir versuchen, die Athleten, die wir haben, immer wieder in konzentrierten Trainingsmaßnahmen zusammenzuführen, um eine gute Trainings- und Konkurrenzsituation zu haben. Die besten Läufer müssen gemeinsam trainieren. Bei den Trainern brauchen wir eine gute Kooperation und klare Strukturen, so dass nicht einer alles alleine macht und Läufer von der Jugend- bis ins Aktivenalter führt. Seit 2012 arbeite ich für den DLV, erst als Diagnostik- und danach als Nachwuchstrainer. Zu dem Zeitpunkt gab es eine Strukturveränderung beim Nachwuchs. Die Früchte ernten wir jetzt.

Was wurde damals verändert?

Dreißigacker: Die Idee war, die Anforderungsprofile an die Athleten zu schärfen, um die notwendigen Schritte gehen zu können. Physisch und psychisch. Die Profile wurden mit Tests abgefordert. Es ging aber auch um Profile der Stärken und Schwächen, um Ansätze zur Verbesserung zu bekommen. Diese Profile werden immer wieder geschärft, um Talente zu finden.

Wie Konstanze Klosterhalfen, die 2017 über 1500 und 5000 Meter in Europas Spitzenklasse lief, und Alina Reh über 10 000 Meter?

Dreißigacker: Es wird trotzdem nicht jedes Jahr eine Konstanze Klosterhalfen oder Alina Reh geben. Wenn man aber konzentriert dranbleibt, eine große Anzahl von Talenten finden kann, wird man auch ein paar Topläufer dabei haben. Die Zufallsfunde wird es immer geben, aber viele der Läuferinnen, die jetzt noch 21, 22, 23 Jahre alt sind, die sind keine Zufallsfunde mehr. Sie haben die Nachwuchskader durchlaufen, haben an vielen Maßnahmen des Verbandes teilgenommen und wurden von Kompetenzteams und Trainingswissenschaftlern betreut, die ihre Schwächen minimiert haben. Diese Läufer sind das Ergebnis der verbesserten Strukturen.

Frage: Kann die EM auch zu einem Fest der deutschen Läufer werden?

Dreißigacker: Die Chance, erfolgreich zu sein, ist da. Wir haben viele, die sich unter den Top Zehn oder Acht in Europa bewegen. Wie viele Medaillen gewonnen werden können, da will ich mich nicht aus dem Fenster lehnen. Da gehört auch etwas Glück dazu. Wir haben in fast allen Laufdisziplinen die Quote von drei Startern ausgeschöpft.

Sind Leistungsverbesserungen bis Olympia 2020 in Tokio im Laufbereich möglich?

Dreißigacker: Wir sind mit den Strukturverbesserungen und der Professionalisierung des Trainings nicht zu Ende. Wir wollen vor allem die Lehrgänge mit guten Kompetenzteams professionalisieren. Da gibt es wahrscheinlich kein Ende. Auch bei der Stützpunktstruktur sind Verbesserungen möglich. Es gibt noch viel Potenzial. Und es ist auch gut, dass man weiß, dass es noch einige Baustellen gibt.

Können die Trainingsinhalte noch verbessert werden?

Dreißigacker: Ausgereizt ist auch da nichts. Es gibt international neue Ideen, manchmal hat man selber welche. Auf der europäischen Ebene sind wir gut vernetzt. Unsere Trainingsstruktur ist aber schon auf einem guten Niveau. Grundprinzip ist, Fehler zu vermeiden. Im Ausdauerbereich, wo es hohe Trainingsumfänge gibt, muss man versuchen, Ausfälle und Verletzungen zu vermeiden.

Konstanze Klosterhalfen ist die Senkrechtstarterin des Jahres 2017 gewesen. In dieser Saison war sie verletzt!

Dreißigacker: Sie ist 21 Jahre alt und hat bis dato noch nie eine Verletzung gehabt. Das gleiche gilt auch bei Krankheiten. Jetzt hat sie erstmals eine Verletzung gehabt; das zeigt, dass sie eine robuste Sportlerin ist. Für die EM bin ich für sie sehr positiv eingestellt. Sie hat 2017 von den Zeiten her gezeigt, dass sie mit der Weltspitze mithalten kann. Über 1500 Meter war sie Vierte in der Weltjahresbestenliste. Auch über 3000 und 5000 Meter hat sie bei den Diamond-League-Meetings gezeigt, dass sie mithalten kann. Vom Potenzial ist sie eine, die sich in der Weltspitze festsetzen kann. Das muss auch das Ziel sein.

ZUR PERSON: Thomas Dreißigacker ist seit dem 1. Januar 2017 leitender Bundestrainer Lauf und mit 30 Jahren der jüngste Chefcoach in der Geschichte des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Zuständig ist er für die Läufer ab 800 Meter bis Marathon und die Geher.