Leichtathletik Reus rennt Rekord - Vier Hundertstel fehlen zur Historie
Zeulenroda (dpa) - Sein Rekordrennen spendierte er seinen Fans erstmals live auf Facebook, und nur 80 Minuten später hätte Julian Reus fast noch das „deutsche Double“ perfekt gemacht.
In seiner Wahlheimat Thüringen knackte der Top-Sprinter an einem historischen Abend zunächst seinen eigenen deutschen 100-Meter-Rekord, dann schickte der Mann mit der Startnummer 1 im Waldstadion von Zeulenroda eine noch nie von ihm erreichte Zeit über 200 Meter hinterher. Die 10,03 Sekunden gehen in die Rekordlisten des DLV ein, bei den 20,23 Sekunden fehlten 3/100 zur Bestmarke - außerdem blies der Rückenwind (2,3 m/Sek.) etwas zu heftig.
Der Doppelsieg des in Erfurt lebenden und trainierenden Sprinters vom TV Wattenscheid krönte am Freitagabend das Meeting in Zeulenroda. Mut machten Reus knapp zwei Wochen vor der Leichtathletik-EM in Amsterdam (6. bis 10. Juli) vor allem die Zeit und seine Form. Um zwei Hundertstel-Sekunden blieb der 28-Jährige unter seinem alten Rekord: Die 10,05 war Reus am 26. Juli 2014 im Halbfinale der deutschen Meisterschaften in Ulm gerannt. Seine 200-Meter-Bestzeit: 20,36 Sekunden. Der deutsche Rekord: 20,20 Sekunden. „Schade, aber ich habe die Zeit auch bei regulären Bedingungen drin“, meinte Reus.
Die EM kann kommen. „Ich bin gut in Form, das ist wichtig für Amsterdam. Man sollte jetzt nicht davon ausgehen, dass ich da noch schneller laufe“, sagte der 1,76 Meter große und 76 Kilo schwere Sportsoldat. „Jetzt werde ich den Körper ein bisschen in Watte packen. Gesundbleiben ist das oberste Ziel.“ Der WM-Halbfinalist ist vor den Saison-Höhepunkten - EM und Olympia - optimistisch. „Egal, wie ich mich am jeweiligen Tag fühle - ich bringe vom technischen Ablauf her ähnliche Läufe auf die Bahn, das ist ganz wichtig.“
Als deutscher Meister von Kassel, wo er am vorigen Wochenende seinen vierten 100-Meter-Titel in Serie holte, ist er für Olympia in Rio gesetzt. Zeulenroda war für den schnellsten Deutschen daher vor allem die Generalprobe für Amsterdam. „Für das heutige Zeulenroda Meeting probiere ich mich das erste Mal an einem Livestream hier in Facebook aus. Ich hoffe es funktioniert einwandfrei und ihr seid meine Zuschauer“, teilte der Schützling von Trainer Gerhard Jäger vor seinem Rekordlauf mit. Und es funktionierte.
Möglich, dass Reus bald wieder Geschichte schreibt: In Ulm hatte er 2014 den fast 30 Jahre alten deutschen Rekord (Frank Emmelmann/10,06 Sekunden) um eine Hundertstel verbessert. Nun fehlen dem Mann, der mit sechs Jahren zur Leichtathletik und als Elfjähriger nach Erfurt kam, noch 0,04 Sekunden - dann hätte er die berühmteste Schallmauer der Leichtathletik durchbrochen.
Und Reus traut sich durchaus zu, als erster Deutscher unter 10 Sekunden zu bleiben. „Meine Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen, 9,99 Sekunden sind machbar. Aber ich werde nicht ankündigen, wo und wann ich das probiere“, hatte er vor zwei Jahren gesagt. Vielleicht sehen die Fans das denkwürdige Rennen dann im Stadion - oder wieder live auf Facebook.