Spätzünderin stürmt Himmel: Strutz holt WM-Silber

Daegu (dpa) - Stabhochsprung-Spätzünderin Martina Strutz ist die Himmelsstürmerin des Jahres. „Es war super. Das war der beste Wettkampf meines Lebens: Deutscher Rekord, die Silbermedaille gewonnen, meine Eltern waren dabei - es war einfach nur geil“, sagte die 29-jährige WM-Zweite von Daegu.

Dabei verbesserte sie auch noch ihren deutschen Rekord um zwei Zentimeter auf 4,80 Meter. Höher sprang nur die Brasilianerin Fabiana Murer (4,85). Abgestürzt ist dagegen - wie bei der WM 2009 in Berlin - die 27-malige Weltrekordlerin Jelena Issinbajewa, die nur 4,65 Meter überwand und Sechste wurde. „Ich bin noch nicht fertig. Ich werde noch hoch und höher springen“, erklärte die 29-jährige Russin mit verheulten Augen. Auf die Frage, ob sie 2012 bei den Olympischen Spielen in London starten wird, antwortete sie trotzig: „Natürlich!“

Auch Vize-Europameisterin Silke Spiegelburg (Leverkusen) kam nicht über 4,65 Meter hinaus und wurde Neunte. Für Kristina Gadschiew aus Zweibrücken war bei 4,55 Meter und Platz zehn Ende der Fahnenstange.

Fast zeitgleich mit Strutz' Silber-Gewinn jubelte Diskus-Ass Robert Harting über seinen zweiten WM-Triumph. Sie eilte zu dem Hünen und fiel ihm um den Hals. „Die Kleine und der Große, was? Wir haben uns gegenseitig gratuliert“, sagte die nur 1,60 Meter große Athletin aus dem mecklenburg-vorpommerschen Hagenow schmunzelnd. Danach verschlug es ihr aber die Sprache, als beim Interview mit dem ARD-Fernsehen ihr Trainer Thomas Schult telefonisch zugeschaltet wurde und er sagte: „Herzlichen Glückwunsch, Kleine.“

Ihm und einem radikalen Lebenswandel hat es die Polizistin zu verdanken, dass sie binnen zwei Monaten zur Stabhochspringerin Nummer eins in Deutschland geworden ist. Mit dem deutschen Rekord von 4,78 Meter sprang sie am 12. Juli in Karlsruhe fast aus dem Nichts ins Rampenlicht. Nachdem das Talent 2006 als EM-Fünfte auf dem Sprung in die Spitze schien, kam der Absturz: 2008 war ihre Bestleistung 4,52 Meter, 2010 überquerte sie gerade einmal 4,30 Meter.

Die neue „Leichtigkeit des Seins“ von Martina Strutz ist kein Geschenk des Himmels, sondern Resultat eines radikalen Wandels. Sie wechselte im Herbst 2009 zu Trainer Schult und nahm dank einer Ernährungsumstellung zehn Kilogramm ab. Aus einem Pummelchen wurde ein Kraftpaket, aus dem Auslaufmodell eine WM-Medaillengewinnerin. „Es war meine letzte Chance, noch eine hätte ich nicht gekriegt“, sagte Strutz, die zum Medaillenkampf ihr Kopfkissen als Glückspringer mitgebracht hatte und immer wieder umarmte.

Die gebürtige Schwerinerin kennt aber auch ihre Grenzen. „Bei dem Versuch über 4,85 haben mir ein bisschen die Beine gewackelt“, berichtete sie nach dem WM-Kampf. „Ich war so von meiner Leistung überwältigt und dachte: Wollen die alle nicht?“, sagte Martina Strutz. „4,90 Meter wären aber unrealistisch gewesen.“

Eine glückliche Fügung war, dass sie im WM-Athletendorf eine Wohngemeinschaft unter anderem mit Diskus-Vizeweltmeisterin Nadine Müller bildete. Um sich gegenseitig den Erfolgsdruck zu nehmen, sangen sie bei jeder Gelegenheit die Liedzeile von Wolfgang Petry: „Bronze, Silber und Gold hab ich nicht gewollt.“